Der König von Berlin (German Edition)
ganze Latte von Leuten runtergebetet, die alle einen guten Grund gehabt hätten, den alten Machallik umzubringen. Konnte ich leider nicht mitschreiben, wäre ja aufgefallen. Ich habe aber gleich danach so viele Namen notiert, wie ich erinnern konnte. Ein paar waren einfach, wie Herr Kasten, der frühere Buchhalter, bei anderen bin ich mir nicht sicher, ob ich sie mir richtig gemerkt habe. Hier ist meine Liste. Vielleicht hilft sie dir ja!»
Er reichte Lanner einen Zettel rüber. Lanner schaute kurz drauf. Georg hatte echt eine Sauklaue. Seine Schrift war genauso undeutlich wie seine Stimme hier in dieser Modeladen-Disco. Die Liste war lang, acht Namen davon kannte er. Der alte Machallik musste wirklich viele Feinde gehabt haben.
«Einer von euch ist übrigens auch dabei!» Georg deutete aufs Papier. «Also, ein ehemaliger Polizist, mein ich. Bei dem bin ich mir sogar sicher, dass der Name stimmt, denn den hat sie noch mal herausgehoben als Verdächtigen. Rimschow, Hauptkommissar. Wurde wohl vorzeitig pensioniert, weil irgendwas vorgefallen ist, sollte nicht öffentlich werden. Wusste Frau Matthes aber auch nicht genau. Auf jeden Fall hat man sich dann geeinigt, dass er auf eigenen Wunsch aus dem Dienst ausscheidet. Angeblich aus gesundheitlichen Gründen. Typisch Berlin!»
«Was?»
«Typisch Berlin! Das muss ein richtig harter, bissiger Hund gewesen sein, wobei ich glaube, Frau Matthes mochte den irgendwie, so, wie sie ihn beschrieben hat. Machallik und dieser Rimschow haben sich wohl offen gehasst und bekämpft.»
Lanner dachte nach. Rimschow. Es war ihm nicht sofort eingefallen, wo er diesen Namen schon einmal gehört hatte. Aber jetzt wusste er es wieder. Nämlich, als man ihm mitgeteilt hatte, auf wessen Stelle er in Berlin nachfolgen sollte. Wegen der Bandscheibe, hieß es, sei dieser Hauptkommissar Rimschow in Frühpension gegangen.
Während er noch überlegte, ob er Georg davon erzählen sollte, standen plötzlich die beiden jungen Frauen vor ihnen. Sie waren hübsch, schlank, keine zwanzig, die kleinere von beiden blond, die andere dunkelhaarig. Die Blonde begann schreiend das Gespräch: «Entschuldigen Sie, meine Freundin hier traut sich nicht zu fragen. Aber Sie können uns wahrscheinlich echt helfen!»
Lanner und Georg blickten sich verblüfft an und nickten den Mädchen dann zu, woraufhin die Mutigere direkt zur Sache kam.
«Die ist nämlich eingeladen, meine Freundin, bei den Eltern von ihrem Freund. Und das könnte echt was Ernstes werden mit dem Freund. Und deshalb will sie einen richtig guten Eindruck machen auf die Eltern, aber auch nicht unnormal brav. Also schon cool, und vielleicht auch ein bisschen heiß, aber trotzdem nichts, was die irgendwie schockt. Und jetzt … also, wir wissen einfach nicht, was für so alte Leute wie Sie eigentlich cool ist, verstehen Sie?»
Den beiden Männern gelang das routinierte Kunststück, völlig verständnislos zu schauen und trotzdem glaubwürdig zu nicken, sodass sich nun auch die Dunkelhaarige zu reden traute: «Oder ob in Ihrem Alter überhaupt noch irgendwas cool ist, also ob Sie über so was überhaupt nachdenken oder sich nicht von coolen Klamotten sowieso genervt fühlen. Oder denken, man wäre doof und oberflächlich, weil man sich für Klamotten interessiert.»
Dann sagte rund eine halbe Minute niemand etwas. Nur die unerbittlich laute Musik verhinderte, dass man das hilflose Schweigen als völlige Stille hätte bezeichnen können. Bis es schließlich aus der Blonden herausbrach: «Also, finden Leute Ihres Alters dieses Kleid hier zum Beispiel noch okay, oder ist Ihnen das eher schon zu nuttig?»
Georg lachte. «Also, Männer unseres Alters finden bei Frauen Ihres Alters ‹nuttig› als Kleiderordnung eigentlich meistens ziemlich okay, wenn nicht sogar super. Aber die Mutter von Ihrem Freund könnte das anders sehen, und wenn die Missfallen signalisiert, wird der Vater sich nicht trauen, so ein Kleid gut zu finden.»
Die beiden Mädchen lächelten sich wissend an. Anscheinend waren sie zufrieden mit dieser fachkundig klingenden Antwort. «Ja, so was Ähnliches haben wir uns schon gedacht», steuerte die Dunkelhaarige bei. «Aber wir finden hier einfach nicht das Richtige.» Sie blickte verzweifelt in den Verkaufsraum.
Nun wollte auch Lanner sein Mode-Fachwissen nicht länger verbergen. «Wenn jemand so hübsch ist wie Sie, ist es ganz egal, was er anhat. Am besten, Sie ziehen sich ganz natürlich an.»
Die jungen Frauen dankten ihm für
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