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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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in derselben Nacht wurde er vergiftet.» Rimschow nahm wieder einen Stein aus dem Körbchen und schaute Lanner an. «Wenn Sie wirklich in diesem Fall ermitteln wollen, wünsche ich Ihnen viel Glück. Aber seien Sie vorsichtig, Sie könnten mehr finden, als Ihnen womöglich lieb ist.»
    «Sie meinen, den Tod?»
    «Das haben Sie jetzt gesagt. Eines sollten Sie aber unbedingt noch wissen.»
    «Ja?»
    «Sollte durch Ihre Schuld oder Fahrlässigkeit Carola Markowitz etwas zustoßen, bringe ich Sie höchstpersönlich um.»
    Rimschow schleuderte den Stein über den See. Lanner schaffte es nicht einmal zu zählen, so schnell und oft sprang er auf.

N icht einen leeren Stuhl gab es mehr im Tagungsraum des «Hotel Adlon». Der Überfall der Ratten am Abend zuvor hatte die anberaumte Pressekonferenz zu einem Ereignis werden lassen. Phoenix, n-tv und der RBB berichteten schon den ganzen Tag, übertrugen sogar live. Der Bürger- meister schien zufrieden und improvisierte, aus der geplanten kurzen Ansprache wurde eine halbstündige Rede. Wie alle seine Reden hatte auch diese einen Refrain, eine Hookline, die am Ende eigentlich alle hätten mitsingen und mitklatschen können. Der Refrain diesmal kam aus seinem Best-of-Album und betonte die größte Stärke Berlins: sich trotz mannigfaltiger Probleme nicht kirre machen zu lassen. Die aktuellen Probleme seien Probleme, die die Menschen direkt beträfen. Probleme, die er sehr genau kenne und ausgesprochen ernst nehme. Dann umriss er kurz frühere Probleme der Menschen und der Stadt, also Krieg, Bombennächte, Teilung, Hungerwinter, Luftbrücke, Mauertote, Kalter Krieg, Wendezeit, Baustellen, Hauptstadt, woraufhin die Rattenplage jedem im Raum auch wieder vergleichsweise albern, geradezu lächerlich vorkam.
    Georg Wolters war beeindruckt. So ähnlich hatte er zu WG-Zeiten argumentiert, wenn es Streit gab, weil er den Putzplan ignoriert oder seinen Abwasch nicht erledigt und er die Aufmerksamkeit der Mitbewohner daher lieber auf die Themen Klimawandel, Atomkraft, Rechtsradikalismus oder Überschuldung von Volkswirtschaften gelenkt hatte. Im Prinzip, fand er, führte der Bürgermeister diese Stadt wie eine WG, wo es zu verschleiern galt, wer den Abwasch nicht gemacht, wer den Kühlschrank geplündert oder wer das Bad wieder nicht geputzt hat.
    Dann endete die Rede des Bürgermeisters mit seiner berühmten, erfolgreichen Schlusswendung. Seine Stimme wurde plötzlich staatstragend, und er verkündete feierlich, wenn es eines gäbe, was er sicher wüsste, dann dies: dass sich die Berliner keinen Blödsinn erzählen ließen. Natürlich sei hier jedem klar, dass auch ein Bürgermeister nicht alles könne und wisse. Aber das müsse er auch gar nicht. Es reiche, wenn er ab und zu eine Rede halte, aufrichtig sei und vor allem eines richtig gut und gewissenhaft mache: nämlich die Leute, die wirklich etwas von ihrem Job verstehen, nicht bei der Arbeit stören. Seine Aufgabe sei es, Topleute auf die richtigen Stellen zu setzen. Das zähle für Berlin. Er zückte sein allerbestes Bürgermeistergesicht und lächelte gewinnend, selbstironisch, aber auch irgendwie bescheiden. Und Berlin dürfe stolz sein auf sich und seine Fachleute. Auf Berliner wie Max Machallik. Er erntete dafür tatsächlich einen Beifall in der Lautstärke und Charakteristik eines Konferenzapplauses und übergab dann an den Sohn des großen Erwin Machallik.
    Der referierte kurz seine Arbeit der letzten Wochen. Also so, wie ihm Jessica Mierwald in der letzten Stunde seine Arbeit der letzten Wochen erklärt hatte. Er führte aus, wie man seit langem mit internationalen Experten die Kleintierschädlingspopulation in Berlin analysiere, dass die derzeit angespannte Situation durch unglückliche Wetterlagen leider begünstigt worden sei und dass man an einem Plan arbeite, wie sich die Rattenpopulation wirksamer kontrollieren lasse. Dies alles stehe ab sofort unter der Leitung von Toni Karhan, einem osteuropäischen Rattenexperten, der bereits für seine Firma tätig sei und als der intimste Kenner des Berliner Untergrunds überhaupt gelte. Max Machallik bedauerte die Attacke der Ratten in der vergangenen Nacht ebenso wie die Plage der letzten Wochen, aber so, wie Wetterforscher in einen Sturm fahren müssten, um ihn zu verstehen und für die Zukunft ein Vorwarnsystem entwickeln zu können, so hätten auch sie dieses Sichtbarwerden der Ratten benötigt, um die Situation wirklich verstehen zu können. Durch den Angriff habe man nun

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