Der König von Berlin (German Edition)
Freude gehabt.
«Booaarrh ey, Helmut, du bist echt ein Schwein. Deine Umgangsformen … wirklich … nee, das haut echt dem Gaul die Eisen vonne Hufe!»
Auch Georg Wolters’ Begeisterung hielt sich in Grenzen. Im Chefbüro der Kammerjägerfirma hallte Helmut Machalliks gewaltiger Rülpser noch nach. Die schlechten Kritiken beeindruckten Helmut wenig. Er fühlte sich wohl, richtig wohl, zum ersten Mal seit Wochen.
«Jetzt hör doch auf! Ich kann hier rülpsen, wie ich will. Das ist mein gutes Recht. Die ganze Anspannung muss auch mal raus. Besser so, als wenn man das immer unterdrückt und dann da Krebs von kriegt.»
«Quatsch, Helmut, man kriegt keinen Krebs davon, wenn man sich die Hand vor den Mund hält. Wenigstens das!»
Georg hätte Max’ Hinweis gern noch erweitert. Für ihn war es zumindest diskussionswürdig, ob ein Rülpser dieser Kategorie nicht rechtfertigen würde, den Raum zu verlassen oder das Fenster zu öffnen und den Kopf rauszuhalten. Allerdings hatte das Bunkerbüro gar keine Fenster, und außerdem hätte er sich auch nicht getraut, Helmut Machallik so etwas zu sagen. Schließlich war er erst vor wenigen Stunden in die Chefetage aufgestiegen, wobei «Chefetage» und «aufgestiegen» bei diesem Souterrain-Bunkerzimmer irgendwie nicht die richtigen Begriffe waren.
Nach dem Applaus der Presse und dem Lob vom Bürgermeister hatten sie sich hierher zum Feiern zurückgezogen, wobei Toni Karhan schon nach wenigen Minuten die Runde mit den Worten verließ, er habe noch sehr viel Arbeit. Eine Begründung, die letztlich alle schulterzuckend akzeptierten. Damit waren sie nur noch zu dritt, und Georg durfte allein feststellen, dass der Feierbegriff der Machalliks ein spezieller war. Er umfasste im Grunde nur exzessives Essen und Trinken, und die Brüder entpuppten sich hierbei als ausgesprochen routinierte Wirkungstrinker. Längst hatten sie eine hohe Kunstfertigkeit darin entwickelt, den Grad der geistigen Besinnungslosigkeit auf dem kürzesten und schnellsten Weg, also ohne große Schnörkel oder Abschweifungen, zu erreichen. Dies jedoch unter grundsätzlicher Beibehaltung der körperlichen Basisfunktionen. Unterstützt wurden sie von Frau Matthes, die ihnen die Minibar im Büro ähnlich wie die Schnittchenteller herrichtete, wobei die Flaschen und Gläser allerdings eindeutig mehr als Spirale denn als Schnecke angeordnet waren.
Frau Matthes lächelte Georg zu. «Sie haben das wirklich sehr gut gemacht auf der Pressekonferenz, ich wusste von Anfang an, Sie haben das Zeug zu mehr als nur zu einem einfachen Kammerjäger im Außendienst. Elvira hat das auch schon gesagt, als sie Sie mir empfohlen hat. Ich habe sie schon angerufen. Sie hat sich sehr gefreut.»
«Ja, er ist ein großartiges Talent, der Herr Wolters, ganz großartig!», stimmte Max Machallik spöttisch in das Lob ein. «Ich habe selten jemanden so viel Mist am Stück reden hören wie den Herrn Wolters. Aber ich gebe zu, für uns war das höchst nützlicher Mist. Ganz großartig, der Herr Wolters, ganz großartig. Sie haben mich fast ein wenig an unseren werten Herrn Vater erinnert.»
Er lachte knarzend, wurde jedoch von seinem Bruder unterbrochen, der auch zu lachen begonnen hatte, aber dann erneut von einem gewaltigen Rülpser erschüttert wurde. Wie eine kollabierende Bassbox knallte er und sorgte so abermals für betretene Stille.
Wortlos schob Frau Matthes ihm das Wägelchen mit der Minibar hin. Sie drehte sie so, dass das nächste Getränk in der Reihe unverkennbar ein Glas stilles Wasser war. Schuldbewusst griff Helmut zu und nahm zwei große Schlucke.
Georg kümmerte das alles nicht sonderlich. Er war mehr als zufrieden mit seinem neuen Leben. Vor nicht einmal achtundvierzig Stunden war er noch ein Studienabbrecher in elf Fächern gewesen, auf der ganzen Linie gescheitert, ein Aushilfskammerjäger, der Rattentunnel inspizierte, während ihn ungeduldige, hysterische Kunden anschrien. Jetzt plötzlich versank sein Hintern im Chefsessel. Er war ein in der ganzen Stadt gefeierter Held, hatte möglicherweise eine Freundin und noch eine zweite Identität als Undercoveragent. Wie es aussah, entwickelte sich zur Abwechslung mal alles in die richtige Richtung.
Mühsam stemmte Georg sich aus dem weichen Lederpolster hoch und entschuldigte sich: «Ich geh dann mal für kleine Jungs.» Frau Matthes wollte eine Handbewegung machen, verharrte aber sofort, als sie Max’ strenges Gesicht sah. Georg wankte durch die Sicherheitstür und
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