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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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lieber Max, jetzt ist Schluss!»
    Max Machallik schaute ihn entgeistert an, dann machte er einen Schritt auf Helmut zu und gab ihm einen kleinen Schubs, woraufhin dieser sofort wieder ins Schwanken geriet und nach einem kurzen Kampf gegen die Schwerkraft zurück in den Sessel fiel. «Wupffff!»
    Helmut schien überrascht, wieder im Sessel zu sitzen, jedoch nicht sehr enttäuscht. Er wusste ja jetzt, er konnte aufstehen. Wenn es notwendig wäre, würde er das schon noch ein zweites, drittes oder viertes Mal schaffen. Aber im Prinzip konnte er natürlich alles, was er zu sagen hatte, genauso gut im Sitzen sagen. Sehr viel ruhiger nahm er einen neuen Anlauf: «Ich hab’s gesehen. Ich hab gesehen, wie du ihm das Gift in den Wein geschüttet hast!»
    «Was willst du gesehen haben?»
    «Tu doch nicht so scheinheilig, Max! Du hast doch den Alten vergiftet. Denkst du, ich wüsste das nicht? Glaubst du im Ernst, ich bin so bescheuert wie die Trottel von der Polizei? Die Feier war fast vorbei. Du dachtest, keiner sieht dich. Ich würde besoffen im Sessel schlafen, aber ich habe nicht geschlafen. Zumindest nicht in dem Moment, als du dem Alten das Gift ins Glas geschüttet hast. Ich habe es genau gesehen.»
    Ein paar Sekunden sprach niemand ein Wort. Alle warteten, bis die Stille durch ein vertrautes Geräusch durchbrochen wurde.
    «Wupffff!»
    Auch Max hatte sich jetzt zurück in seinen Sessel fallen lassen. Ungläubig musterte er seinen Bruder. «Warum hast du nichts gesagt?»
    «Eben weil ich dich verstehen konnte. Ja, ich war auch sauer! Total sauer! Wie er uns wieder gedemütigt hat bei diesem verdammten Essen, mit diesem verdammten Bürgermeister und all den anderen. Wie er wieder besoffen rumgeprahlt hat, mit wessen Frau er schon wer weiß was alles angestellt habe. Wie er unsere tote Mama noch im Grab beleidigt hat und dann tönte, die einzigen beiden Jungs in der Stadt, bei denen er sich eigentlich nicht vorstellen könne, dass sie von ihm seien, seien leider ausgerechnet seine Söhne. Dick und Doof, wie er uns dann vor allen anderen genannt hat. Meinst du, mir hat das nicht wehgetan? Wobei ich ja immerhin der Dicke von uns beiden bin.»
    Max’ Blick ging ins Leere. Doch seine Wut blieb unerbittlich, er zischte: «Du bist Dick und Doof in Personalunion.»
    «Sehr lustig. Wirklich sehr lustig. Diesen tollen Witz hat Vater immer gemacht. Kannst stolz auf dich sein. Ich hätte ihn auch totschlagen können. Oder vergiften! Es war plötzlich so einfach. Da standen die Giftflasche und sein Glas, und das Zeug war ja farb- und geruchlos, und ein bisschen hatte Papa sich sowieso schon selbst eingeschüttet, eben um zu erfahren, wie es sich anfühlt, nur ein ungefährliches kleines bisschen von seinem großen Traum! Das faire, das humane Rattengift! Wenn man bei Ratten überhaupt von human reden kann. Ein Gift, das sie ohne Leiden und Qual tötet, aber erst, nachdem sie einen Glücksrausch erlebt haben. Einen letzten großen Rausch, aus dem sie einfach nicht mehr erwachen. Ein Gift, das er aus Respekt vor den Ratten speziell hat entwickeln lassen und das er an diesem Abend der Welt vorstellen wollte. Ich habe auch überlegt, ihm richtig einzuschenken, aber mich nicht getraut. Du schon. Und ich war dir dankbar dafür. Deshalb hab ich nichts gesagt!»
    Während Helmut eine Pause machte, von der nicht genau zu sagen war, ob er nachdachte oder nur auf einen aufsteigenden Rülpser wartete, flüsterte sein Bruder: «Ich war extrem betrunken. Und verletzt. Es war zu einfach, nur ein kurzer Moment der Schwäche. Dann wollte ich es wieder rückgängig machen, aber ich habe das Glas nicht mehr gefunden. Vielleicht hat ihm ja auch sonst jemand was eingeschenkt. Mindestens zwanzig andere, die an dem Abend da waren, hat er doch auch heftig beleidigt oder gedemütigt. Praktisch jeder hätte ihm ordentlich Gift nachschenken können.»
    Helmuts Blick wurde spöttisch. «Na klar, war ja auch so eine Runde von Berufskillern und Halsabschneidern. Der Bürgermeister, der Innensenator, Dr. Kersting, Professor Schult oder diese Schriftstellerin, die diesen Preis da gewonnen hat. Du willst sagen, solche Leute vergiften ihren Gastgeber? Oder war es vielleicht der Polizeipräsident selbst? Oder die Chefs der anderen Kammerjägerfirmen?»
    Max schlug verärgert auf die Armlehnen. «Ich will gar nichts sagen. Es war ein sehr eigenartiger, wahnsinniger Abend. Warum sollen nicht noch mehr vergiftete Gläser im Umlauf gewesen sein? Weißt du noch, wie

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