Der König von Berlin (German Edition)
sein kann. Auf jeden Fall werde ich nach Dienstschluss mal nach Wilhelmsfelde zu diesem Gasthof fahren.»
«Nach Dienstschluss, oho, da ist aber jemand ehrgeizig. Du kannst da doch erst mal anrufen oder die Brandenburger Kollegen beauftragen.»
«Ich will das nicht delegieren. Und anrufen … das ist Brandenburg, es wird ohnehin nicht einfach sein, die Leute zum Reden zu bringen, aber am Telefon werden wir mit Sicherheit nichts erfahren.»
«Ich bin doch in der Nähe. Ich kann das machen.»
«Nein, ich will dabei sein. Seit achtundvierzig Stunden beschäftige ich mich rund um die Uhr mit dem Fall. Ich lasse mich da jetzt nicht rausdrängen.»
Lanner wusste nicht, ob es nur der Schlafmangel bei Markowitz war oder tatsächlich nun ungeschminkter Ehrgeiz. In jedem Fall war er überrascht, wie sie plötzlich fauchte. Andererseits hatte sie nicht unrecht. Es war längst ihr Fall. Eigentlich schon die ganze Zeit. Er konnte sie nicht noch einmal übergehen. «Ist gut, Carola. Wir treffen uns in Wilhelmsfelde vor diesem Gasthof und gehen da zusammen rein. Aber fahr um Gottes willen vorsichtig, so wenig, wie du geschlafen hast.»
«Natürlich, ich simse dir dann die genaue Adresse und eine Wegbeschreibung, mit der du von Glaanow dahin kommst.» Die Zufriedenheit in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
«Apropos Glaanow, wie genau …»
Markowitz wartete seine Frage nicht mehr ab, sie hatte es jetzt eilig. «Fahr von da, wo du bist, einfach zwei Kilometer weiter Richtung Norden. Dann bist du da.»
«Woher weißt du das denn so plötzlich?»
«Wir haben deinen Wagen geortet. Alle Streifenwagen haben natürlich eine Funkpeilung, selbst deiner.»
«Warum hast du das nicht gleich gesagt?»
«Ich war nicht sicher, ob’s funktioniert. Diese Sachen sind oft kaputt.»
«Ist das nicht ziemlich dämlich, Beamte mit halb kaputter Ausrüstung loszuschicken?»
«Da kann man nichts machen. Budgetzwänge. Auch die Polizei ist gehalten, wirtschaftlich zu arbeiten. Die Beratungsfirma, die die Instandhaltung und Wartung der Polizeiwagen optimiert hat, ist dieselbe, die auch schon für die S-Bahn tätig war.» Sie lachte. Lanner wusste nicht recht, ob sie einen Scherz gemacht hatte oder eben lachte, weil es leider kein Scherz war. «In jedem Fall musst du noch zwei Kilometer Richtung Norden der Straße folgen, dann kommt direkt Glaanow.»
«Und woher weiß ich, wo Norden ist?»
«Es ist später Nachmittag. Die Sonne müsste langsam gen Westen sinken.»
Lanner schaute zum Himmel und nordete sich ein. «Aber das Schild zeigt exakt in die andere Richtung.»
«Na, dann hat es eben jemand umgedreht. So was kommt vor. Ein Scherz von Jugendlichen vielleicht. Lass dir ruhig Zeit in Glaanow, ich werde ein bisschen brauchen, bis ich aus der Stadt raus bin. Bis später.»
Lanner legte sein Handy zurück in den Wagen, auf den Beifahrersitz, und ging dann noch mal näher an das Schild ran. Tatsächlich, jemand musste es gedreht haben. Waren vielleicht alle Schilder nach Glaanow so geschickt verdreht worden, dass sie einen Ortsunkundigen konsequent an Glaanow vorbeiführten? Um ihn in den Wahnsinn zu treiben oder doch zumindest zu verwirren? Gab es am Ende auch jemanden, der die Hinweisschilder im Machallik-Fall verdrehte? Wollte ihm Rimschow auf seine verwinkelte Art genau das mitteilen? Hatten eigentlich alle, die in diesen Fall verwickelt waren, einen Schaden? Endlich ein Gedanke, der Lanner gefiel. Er musste grinsen und dachte plötzlich noch etwas, etwas recht Eigenartiges. Er dachte, dass Wegelagerer und Straßenräuber früher mit diesem Trick gearbeitet haben. Also Wegweiser verdrehen, um Reisende in eine Falle zu locken.
Richtig seltsam wurde dieser Gedanke jedoch erst, als Lanner Sekunden später wie aus dem Nichts einen schwarzen Mercedes mit getönten Scheiben auf sich zurollen sah. Lanner blieb einfach nur stehen. Zu lange einfach nur stehen. So lange, bis vier maskierte, schwarzgekleidete, sportliche, langbeinige Frauen aus dem Wagen sprangen. Erst da begriff er, dass es für einen Fluchtversuch zu spät war.
E r zitterte am ganzen Körper. Die Hochstimmung, die aus dieser Mischung aus angestauter Erregung, eruptiver Erleichterung und einsetzender sanfter Erschöpfung rührte, zauberte ihm ein sinnentleertes Lächeln aufs Gesicht. Lange schon hatte Helmut Machallik kein derartiges körperliches Glücksgefühl mehr erlebt und auch nicht solch einen Stolz empfunden. Sein Bruder Max dagegen hatte wohl deutlich weniger
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