Der König von Berlin (German Edition)
das Hochsicherheitsbüro zu knacken. Ohne Erfolg. Nicht einen Schritt, nicht mal eine Zehenspitze war man weitergekommen.
Auch die Verhandlungen mit Otto Stark verliefen schleppend. Zwar war es zügiger als erwartet gelungen, die notwendigen Unterschriften zu bekommen, um ihn für den Sondereinsatz von Moabit ins Machallik-Büro überführen zu können, aber der legendäre Safeknacker zeigte sich weniger kooperationsbereit als erhofft. Schnell hatte Stark begriffen, wie dringend man ihn brauchte, und das hieß: Drohen konnte ihm keiner mit nix, wie er es ausdrückte. Er saß ja schon im Gefängnis, höchste Sicherheitsstufe, was sollte ihn da schrecken? Genauso wenig konnten ihn Belohnungen reizen, wie er Dr. Kersting und dem Polizeiunterhändler unverblümt mitgeteilt hatte: «Ick werd ja sowieso bei die nächste Gelegenheit die Biege machen. Haftzeitverkürzung, Gute-Führung-Deals und so Sachen, die sind ja für mich denn eher so virtuell, also, ick sag mal: symbolisch. Bringt mir nüscht, also nüscht rischtisch. Wenn Sie mir locken wollen, muss dit schon wat Besonderet sein. Wat, wat man sich nich klauen kann. Wat, wo die Leute sagen, kiek mal: der starke Otto mal wieder!»
Als man dem Bürgermeister schließlich mitten in der Nacht Starks Forderung überbracht hat, soll er einen Wutanfall bekommen haben, erst Dr. Mierwald konnte ihn zum Nachgeben bewegen. Dennoch fragte jeder Beamte, der im Laufe der Nacht mit der Sache befasst war, dreimal nach, weil es keiner glauben konnte.
«Er will was?»
«Na, er will das auf den Fernsehturm geschrieben haben. In riesigen schwarzen Buchstaben.»
«Was will er draufgeschrieben haben?»
«‹Otto Stark ist die coolste Sau von Berlin!› Das soll ganz einfach sehr gut lesbar auf den Turm geschrieben werden. So, dass man es vom Rathaus aus, aber auch von weitem noch gut lesen kann.»
Otto «der weiche Keks» Stark verlangte ferner eine notariell beglaubigte Garantie des Bürgermeisters, dass der Schriftzug mindestens achtundvierzig Stunden lang stehenbleibt. Da man auf den Safeknacker angewiesen war, wurde zähneknirschend alles Nötige in die Wege geleitet, aber natürlich konnte man erst im Hellen anfangen, am Fernsehturm zu arbeiten. Stark hatte glaubwürdig versichert, dass er «keine Bunkertür nirgendwo nie nicht» öffnen würde, bevor er nicht sein Lob hoch über dem Alexanderplatz gelesen hätte.
Die koreanische Firma, die den riesigen Tresor seinerzeit entworfen hatte, teilte inzwischen mit, sie würde selbstverständlich keine Baupläne aufbewahren. Genau dies sei ja Teil des Sicherheitskonzepts. Auch die Koreaner konnten höchstens vermuten, wie etwa die Lüftungsanlage funktionierte oder wo ein schwacher Punkt des Titanstahlungeheuers sein könnte. Grundsätzlich glaubten sie aber nicht, dass es überhaupt einen solchen Schwachpunkt gab.
Kolbe erinnerte sich, dass Machallik immer betont hatte, er habe seinen Bunker von Koreanern bauen lassen, da er den deutschen, schweizerischen oder amerikanischen Firmen nicht traute. Mittlerweile suchten ein Sprengmeister, ein promovierter Stahlschweißer und ein auf die Hypnose widerspenstiger Elektrogeräte spezialisierter Mentalkünstler nach Möglichkeiten, das Problem mit schlichter Gewalt beziehungsweise Esoterik zu lösen. Aber rechte Hoffnung wollte bei Kolbe nicht mehr aufkommen. Zudem nervten ihn der Bürgermeister, der Innensenator, der Polizeipräsident und die Sicherheitsexperten der Bundesregierung, die in Viertelstundenintervallen bei ihm anriefen, um sich nach Fortschritten zu erkundigen.
Alle waren sie hochgradig nervös, wegen des Besuchs des russischen Staatspräsidenten am nächsten Tag. Die Vorstellung, dieses Ereignis könnte vor laufenden Kameras und den Augen der Weltöffentlichkeit von Millionen von Ratten gesprengt werden, versetzte nicht nur die Diplomaten in Unruhe. Auch ein Ex-Kanzler hatte sich bereits gemeldet und Drohungen ausgestoßen, ja schlimme Konsequenzen angekündigt, falls bei der Visite seines guten Freundes etwas schiefgehe. Die Führungsspitze Berlins wollte in jedem Fall eine erneute Blamage verhindern. Noch immer kursierten bei eBay offizielle Einladungskarten zur geplatzten Eröffnung des Großflughafens, versehen mit hämischen Kommentaren, wie ‹kurzfristig verschoben auf 2014, 2015 oder Leipzig›.
Es gab auch Überlegungen, den Treffpunkt der Staatsoberhäupter zu verlegen. Nach Dresden, Erfurt, Hannover, Hamburg oder gleich nach Kiel, zur Ostseepipeline, als
Weitere Kostenlose Bücher