Der König von Berlin (German Edition)
haben wir uns natürlich auch überlegt, aber wir kommen sonst ja nicht zur Ruhe. Seit einem halben Jahr schläft jeder von uns schlecht. Dabei war es doch eigentlich ein Unfall. Wir waren gar nicht schuld. Zumindest haben wir nicht wirklich ein Kapitalverbrechen begangen, nur jede Menge dummes Zeug gemacht. Das haben wir schon. Aber richtig dummes Zeug. Trotzdem wollen wir uns damit nicht das ganze Leben versauen. Wir möchten keine Albträume mehr haben.»
Jimi hatte sich am Tresen Chips organisiert und stopfte sie in den Mund. «Und denne wussten wir ja auch, in dem Moment, wo Kaminskis Leiche gefunden wird, kommt die Polizei früher oder später auch hierher, und bevor wir dann durch unglückliche Umstände noch unter Mordverdacht geraten …»
Mario fiel ihm ins Wort. «Ja nu, also, wir haben dit lange diskutiert und denne beschlossen, wenn wir eine anständige Polizistin finden oder einen Polizisten, weil, ehrlicherweise muss man sagen, als wir dit diskutiert haben, sind wir noch davon ausjejangen, dit Sie wahrscheinlich ein Mann sind, aber dit macht ja keenen Unterschied, also für uns hier nich, wir gucken hier nur auf den Charakter, wenn wir da also einen finden, mit dem man reden kann, dann reden wir. Damit wir alle unseren Frieden wiederfinden, wa?»
Markowitz versuchte, sich weder von der Schmeichelei noch von der Sprachmelodie, die an ein kullerndes Ei erinnerte, hypnotisieren zu lassen, und blickte zur Toilettentür. Diese Männer waren entweder liebenswerte Trottel oder außergewöhnlich clever. Sie glaubte nicht, die ganze Wahrheit herauskriegen zu können, zumindest würde sie es heute Nacht nicht mehr schaffen. Sie beschloss, auf das Spiel der Männer einzugehen, zumal sie tatsächlich irgendwie ihr Wort gegeben hatte.
«Also gut, ich glaube Ihnen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Sie diese Geschichte erfunden haben. Dennoch werde ich Sie natürlich festnehmen müssen.»
«Haben Sie denn so viele Handschellen bei?» Mario meinte diese Frage offensichtlich ernst.
Markowitz gab ihm einen freundschaftlichen Knuff, was den kleinen Mann ein bisschen rot werden ließ. «Handschellen werden nicht notwendig sein. Sie geben mir einfach alle Ihre Personalausweise, und dann fahre ich langsam zur Polizeidirektion 5 in Berlin, und Sie fahren mir hinterher. Am besten gleich mit dem Auto, in dem Sie damals die Leiche transportiert haben. Dann haben wir das auch schon vor Ort. In Berlin erzählen Sie den Kollegen die ganze Geschichte noch einmal in Ruhe. Als offizielle Aussage. Das muss sein.»
Mit einem großen letzten Schluck leerte Carola Markowitz ihr Cola-Glas und stand auf. Mike ging zur Gasthaustür und entriegelte sie. Die Männer legten ihre Personalausweise auf den Tisch, Markowitz sammelte sie ein. Als sie die Klinke schon in der Hand hatte, gönnte sie sich aber ein kurzes Columbo-Gefühl und drehte sich noch einmal um. «Eine letzte Frage: Das Geld – was haben Sie damit eigentlich gemacht?»
Die Männer sahen einander verunsichert an, dann antwortete Mike: «Schulden bezahlt, davon haben wir ja alle genug, Jimi zahlt Alimente, bisschen Rücklage für die Ausbildung seines Kleinen, Mario brauchte Zahnersatz, das zahlt die Kasse ja nicht mehr, und dann haben wir alle noch bei Rico eine große Reise gebucht. In die USA, da wollten wir schon immer mal hin.»
Markowitz rieb sich die Schläfe. «Verstehe. Ist schon erstaunlich, was man mit zwanzigtausend Euro so alles machen kann.» Sie ging einen Schritt raus, aber nur, um sich dann erneut umzudrehen. «Wissen Sie, was ich tun würde? Ich würde den Kollegen nur von, sagen wir, fünftausend Euro erzählen. Ich glaube, die Geschichte funktioniert auch so. Das restliche Geld ist ja sowieso schon weg, das muss nicht unbedingt noch zu Schulden werden.»
Die Männer schauten ihr nach und wussten nicht so recht, ob sie die junge Polizistin jetzt gernhaben oder fürchten sollten. Markowitz hingegen war sich vollkommen im Klaren, dass sie niemals erfahren würde, wie viel Geld Kaminski wirklich dabeigehabt hatte. Aber das war ihr auch ziemlich egal. Ihr Instinkt sagte ihr, dass es ein Unfall gewesen war. Vielleicht waren die Männer nicht ganz so unschuldig, wie sie es dargestellt hatten, aber zumindest hatten sie, was immer auch geschehen sein mochte, ohne böse Absicht gehandelt, und das war ihr das Wichtigste.
Außerdem gab es ohnehin genug andere Dinge, die ihr Sorgen machten, zum Beispiel dieser echt anstrengende Kollege Lanner. Sie
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