Der König von Berlin (German Edition)
dachte Lanner, er wusste es ja selbst erst seit kurzem. Genau genommen, seit er vorhin trotz des Glücksgefühls beim Biss in die Cloppenburger Rauchmettwurst «der arme Georg» denken musste.
«Er ist höchstwahrscheinlich tot», Kolbe redete jetzt wie mit einem Angehörigen, doch es war ihm anzumerken, dass er für diese Art Gespräch nicht geschult war, «von den Brüdern getötet, wenn auch unabsichtlich. Was am Tod natürlich nichts ändert, höchstens am Strafmaß für die Täter, ist aber auch schon egal, da die Brüder ja wohl ebenfalls tot sind. Genauso wie ihr Vater, ihr mutmaßlich erstes Opfer.»
Lanner schaute ihn mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Genervtsein an. «Vielen Dank, aber das weiß ich bereits alles von Frau Markowitz.»
«Wieso fragen Sie denn dann?»
«Ich habe nicht gefragt.»
«Ach ja, und wieso habe ich dann wohl geantwortet?»
«Das fragen Sie sich mal besser selbst.»
Wie ein störrisches Kind verschränkte Kolbe die Arme. Das fehlte noch, dass ihm der Dorfsheriff jetzt auch noch blöd kam. Das würde er ihm austreiben. Er drückte die Brust nach vorn und sprach so laut, dass ihn möglichst keiner der Kollegen überhören konnte: «Tja, Herr Lanner, da hatten Sie wohl mal zwei Fälle. Wie es aussieht, wurde der eine, während Sie sich nachts in Brandenburg vergnügt haben, von Frau Markowitz gelöst und der andere von mir. Tolle Bilanz. Da wären Sie jetzt ja frei für andere Aufgabenfelder. Vielleicht Parksünder aufschreiben? Am Tauentzien?»
Lanner hörte das Gekicher und Getuschel von nebenan. Dennoch antwortete er, so leise er nur konnte: «Es ist noch gar nichts gelöst, Herr Kolbe. Wenn sich rausstellen sollte, dass die Spuren im Machallik-Fall seinerzeit schlampig ausgewertet wurden, geht dieser Fall für Sie sogar erst so richtig los. Und sollten Sie hier auch noch scheitern, wird das Ihre Position ganz sicher nicht verbessern.»
Kolbe trat einen Schritt näher an ihn heran und sprach genauso leise: «Wer sagt denn überhaupt, dass ich verantwortlich für das Öffnen der Tür bin? Immerhin ist das Ihr Fall, und jetzt, wo Sie plötzlich da sind, könnte man ja auch zu der Auffassung gelangen, Sie hätten hier die Verantwortung.»
Ohne auch nur einen Gesichtsmuskel zu bewegen, zischte Lanner zurück: «Heißt das, Sie übertragen mir ab sofort ganz offiziell die Einsatzleitung hier vor Ort?»
Kolbe grunzte. Verdammt, Lanner hatte ihn in eine Falle gelockt. Obwohl sie leise sprachen, machte ihm das Verstummen der Kollegen klar, dass diese jedes Wort mithörten. «Wir können das ja aufteilen. Wie es sich gehört. Sie sind verantwortlich für die Toten und ich für das Sichern der Spuren.»
«Das Sichern der Spuren nach meinen Anweisungen.»
Der kleine Mann dachte kurz nach: Warum nicht, was hatte er schon zu verlieren? Im Gegensatz zu Lanner. Es würde sich womöglich als gar nicht schlecht erweisen, einiges an Ärger auf diesen Trottel abwälzen zu können. «Na schön, Herr Lanner, ich gebe die gesamte Verantwortung für diesen Einsatz auf Ihren ausdrücklichen Wunsch an Sie zurück. Ganz speziell auch die Verantwortung für das Öffnen dieser verdammten Bunkertür. Ich wiederhole», er drehte sich theatralisch herum, erhob die Stimme und blickte in die Runde, «Sie allein sind jetzt für das Öffnen dieser Tür verantwortlich.»
Stille.
Lanner nickte. «Das war’s dann ja wohl.»
Kolbe jedoch blühte, sichtlich befreit, wieder auf. Noch hatte er ja die Aufmerksamkeit sämtlicher Mitarbeiter. «Und, Herr Hauptkommissar ‹Al Mundi› Lanner, haben Sie denn schon eine Strategie? Eine neue Idee? Vielleicht einen Zauberspruch, Herr Hauptkommissar Gandalf?»
Lanner hörte ringsum wieder leises Kichern und stellte erfreut fest, wie egal es ihm war, mehr noch, er hatte sogar Lust, auf den dummen Scherz einzugehen. «Warum eigentlich nicht, Herr Kolbe? Versuchen wir’s. Fällt Ihnen ein Zauberspruch ein?»
Kolbe wurde wieder von seinem aufgeregten Wippen erfasst. Er schien förmlich zu platzen vor Freude. «Na klar.» Er drehte sich zur Bunkertür und brüllte: «Zickezacke, auf die Kacke!» Dann explodierte er vor Lachen, so laut und inbrünstig, dass er der Letzte war, der registrierte, wie sich die schwere, elektronische Tür tatsächlich mit erheblichem Brummen zu öffnen begann.
N achdem ihr Sohn den Raum verlassen hatte, setzte sich Frau Adler an den Tisch und nahm ihr Besteck in die Hand. Markowitz staunte nicht schlecht. «Obwohl Sie gerade fast
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