Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
Vom Netzwerk:
erstickt wären, essen Sie jetzt einfach so weiter?»
    Die korpulente Frau schaute sie an, als hätte Markowitz gefragt, ob man in ihrem Alter denn noch Sex habe. «Natürlich, wär doch schade drum. Da merkt man wieder, ihr jungen Leute habt nie richtigen Hunger erlebt. Obwohl. Gottseidank. Das muss man nicht erlebt haben. Glauben Sie mir. Aber Essen verkommen lassen, nee, nee. Wobei, die hier …», sie sah zur Cola mit dem schwimmenden Fleischstückchen, «die schütten wir vielleicht doch besser weg.» Wieder lächelte sie Carola Markowitz an. «Wollen Sie auch? Ist noch was da. Kann ich aufwärmen. Hat der Herr Wolters gemacht, er kocht gar nicht schlecht. Sind Sie seine Freundin? Wo ist der eigentlich?»
    Markowitz überlegte, welche der drei Fragen sie zuerst beantworten sollte. «Danke, ich habe schon gegessen», log sie, «und Herr Wolters ist gerade in der Firma.» Zumindest diese zweite Information war ja grundsätzlich nicht falsch.
    Fest ruhte Frau Adlers Blick auf der jungen Frau, es war noch eine Frage offen.
    «Nein, seine Freundin bin ich nicht.» Markowitz zögerte. Es war nicht richtig, einer Nachbarin zu erzählen, dass sie Polizistin war und Georg vermutlich tot. Aber wie sonst sollte sie begründen, warum sie in der Wohnung gewesen war. «Ich bin seine Putzfrau.»
    An Frau Adlers Miene ließ sich ablesen, wie schlecht diese Lüge war. Carola Markowitz konterte: «Was ist das alles hier?»
    Gelangweilt nahm Frau Adler einen Schluck Cola aus dem anderen Glas. «Wissen Sie das nicht schon längst? So eine gute Polizistin wie Sie?» Bevor Markowitz antworten konnte, fuhr sie fort: «Sie tragen eine Waffe, sind für eine Putzfrau ganz unpassend gekleidet, beherrschen den Heimlich-Griff und beobachten die Dinge hier mit einem professionellen Blick. Außerdem weiß ich sowieso, wer Sie sind. Ich kannte Ihren Vater.»
    Jetzt setzte sich Markowitz in den zweiten Schreibtischsessel, eigentlich sank sie mehr hinein. «Woher? Kenne ich Sie auch?»
    «Sie werden sich nicht erinnern. Wissen Sie, Fräulein Markowitz, ich wäre gerade fast gestorben, und was habe ich wohl die ganze Zeit gedacht, als ich hier im Sessel hing und zu ersticken drohte? Wer kümmert sich jetzt um den Jungen? Was wird aus Ralf? Das habe ich gedacht. Außer mir weiß nur noch Claire Bescheid, und die hat Ralf ja nie so richtig gemocht.»
    «Claire Matthes?»
    «Genau, das ist meine beste Freundin, seit Jahrzehnten schon. Aber mit meinem Ralf konnte sie nie was anfangen. Ich dachte, meine eigene Schuld, weil ich das Spiel ja mitgemacht habe, weil ich nie versucht habe, die Dinge zum Besseren zu wenden. Zum Vernünftigen. Und jetzt hat der Junge überhaupt niemanden. Das habe ich gedacht. Und dann habe ich mir geschworen, ich werde noch anderen davon erzählen. Herrn Wolters zum Beispiel. Irgendwann wollte ich ihm Ralf vorstellen, wo er ohnehin schon seit Monaten für ihn kocht. Aber wenn Wolters nicht da ist, kann ich eigentlich auch Ihnen alles erzählen. Ist mir jetzt egal. Ich meine, ich wäre fast tot gewesen. Ich muss das alles mal jemand anderem als Claire erzählen. Jemandem, dem man vertrauen kann, und Sie haben so was Vertrauenswürdiges, bestimmt eine wertvolle Eigenschaft für eine Polizistin. Und ich kannte, wie gesagt, Ihren Vater. Das war wahrlich ein Polizist. Aber eben auch einer, dem man was erzählen konnte, ohne dass gleich die Polizei davon erfuhr. Wenn Sie wissen, was ich meine. Wissen Sie, was ich meine?»
    Markowitz wurde fast schwindlig vom Redefluss der Elvira Adler. Aber natürlich wusste sie genau, was die aufgewühlte Frau meinte, und konnte es ihr mit einer lässigen Geste signalisieren.
    Frau Adler fand dies wohl überzeugender als jedes Wort und sprach bedenkenlos weiter. «Es hat ganz harmlos angefangen mit dem Jungen, ich hab mir nichts dabei gedacht. Er war ohnehin nie ein Kind, das gern draußen gespielt hat. Saß immer lieber hier und hat gelesen oder seinem Vater in der Apotheke, im Labor oder bei anderen Dingen geholfen. Die beiden steckten wirklich viel zusammen. Eigentlich sollte Ralf mal Pharmazie studieren und dann die Apotheke übernehmen. Das war der Plan. Aber dann wurde mein Mann sehr krank und starb recht schnell. Damit ist Ralf nicht zurechtgekommen. Er wurde immer schlechter in der Schule. Irgendwann ist er einfach nicht mehr hingegangen. Da saß er dann hier zu Hause. Ich habe ihn abgemeldet, nach der zehnten Klasse, den Realschulabschluss hatte er ja. Und bevor die Schule noch mehr

Weitere Kostenlose Bücher