Der König von Havanna
aua, hör auf damit! Schlag dich lieber mit Männern wie dir!«
Rey packte ihn am Genick und wollte ihn gerade die Treppe hinunterwerfen, als er sah, dass der Kerl als Frau verkleidet war. Er hatte ein wunderschönes Gesicht und trug eine blonde Perücke. Und er beherrschte sich. Sie sahen einander in die Augen. Sie war schön. Eine zierliche Frau mit zarter Haut und parfumiert. Sie trug einen kurzen Rock. Beide sahen einander an und schwiegen. Der Transvestit massierte sich die geschlagenen Stellen.
»Verdammt, du hast mich grün und blau geschlagen!«
»Ich bin ein Mann, verflucht noch mal! Wer hat dir gesagt, dass du mir einen runterholen sollst, verdammte Scheiße?«
»Kleiner, so schlimm ist’s nun auch wieder nicht … er stand da aufrecht mitten auf der Treppe und wartete auf mich. Das Fleisch ist schwach.«
»Aber ich bin ein Mann, also mach mich nicht an!«
»Ja, schon gut, wir alle sind Männer … leider … wie langweilig.«
»Was heißt hier leider? Ich bin gerne ein Mann!«
»Komm, hab dich nicht so, hier sind doch alle ein bisschen schwul. Komm mit mir.«
»Wohin?«
»Komm einfach mit und stell keine Fragen. Was liegst du hier so? Diese Nutte behandelt dich wie einen Haufen Dreck. Komm mit.«
Voller Argwohn, diesem Wahnsinnsschwulen nicht über den Weg trauend, gehorchte Rey und ging hinter ihm her. Das war besser, als weiter auf der Treppe liegen zu bleiben. Und höchstwahrscheinlich würde Magda sowieso nicht zurückkommen.
Als Rey den Raum betrat, blieb er verblüfft stehen. Hier drinnen gab es alles. Angefangen von elektrischem Licht über Fernseher, Kühlschrank, Spitzengardinen, ein breites Bett voller Plüschtiere bis hin zu einer Frisierkommode voller Cremedosen und Parfumflakons. Alles makellos sauber, ohne ein Staubkörnchen, und an den weiß getünchten Wänden hingen große Farbposter von wunderschönen nackten Frauen. In einer Ecke, unter einem Kruzifix, stand ein Altar mit der unvermeidlichen Triade Kubas: San Lázaro, die Virgen de la Caridad del Cobre und Santa Bárbara. Und Blumen, viele Blumen. Überall Figürchen aus Plastik und Glas. Kleine Buddhas, Elefanten, Püppchen, Mambotänzerinnen, Indianer aus Gips. Alles durcheinander. Kitsch in seiner höchsten Vollendung. Der Schwule zündete ein Räucherstäbchen an. Er nahm eine Hand voll Basilikum und andere Kräuter und ging hinüber zu einem kleinen Korb, der in einer Ecke stand. Er berührte das Holz, küsste die Krieger, legte die Kräuter hinein, begoss alles mit Parfum und einem Schluck Schnaps und läutete ein Glöckchen. Dann wandte er sich wieder seinem Gast zu.
Rey sah ihn genau an, jetzt bei Licht. Er hatte ihn hart geschlagen. Auf jeder Backe war ein blauer Fleck. Und er war hübsch. Beziehungsweise sie war hübsch. Er war wirklich wunderschön, sah aus wie eine bildschöne Frau und zugleich wie ein bildschöner Mann. So etwas hatte Rey noch nie zuvor gesehen. Jedenfalls nicht aus der Nähe, in allen Einzelheiten. Er saß in seinen Lumpen auf dem einzigen Lehnstuhl im Raum und wusste nicht, was er sagen sollte.
»Bist du fasziniert?«
»He?«
»Ob du fasziniert bist von mir?«
»Was ist fasziniert?«
»Nichts, schon gut … Willst du was essen?«
»Ja.«
»Willst du nicht vorher unter die Dusche?«
»Dusche? Hier gibt’s kein Wasser. Woher kriegst du überhaupt Strom und alles?«
»Es gibt welchen, mein Junge, stell deine Ermittlungen ein! Kaum hast du mich kennen gelernt, da fängst du schon an, alles zu überprüfen … um mich zu kontrollieren … Junge, als Ehemann musst du ein Aas sein.«
»Hey, was soll das? Von wegen Ehemann!«
»Ich heiße Sandra. Sprich mir nach: Sandra, Sandra. Und nenn mich nicht wieder ›Hey‹. Ich mag keine vulgären Worte. Und ich mag es auch nicht, wenn man mich schlecht behandelt. So bin ich nun mal, wie eine Prinzessin.«
»Und mich nennt man Rey, König von Havanna.«
»Das musst du erst beweisen. König ist ein Adelstitel, und adlige Herkunft musst du erst mal unter Beweis stellen.«
»Dasselbe sagt Magda.«
»Um Himmels willen, erwähn bloß dieses Weib nicht mehr! Dieses Flittchen, diese Drecksschlampe, Nutte, diese klatschsüchtige, stumpfe Hungerleiderin. Sieh dir doch an, was sie mit dir macht. Und du nimmst alles hin. Und alles bloß für den Spaß, denn letzten Endes …«
»Letzten Endes was?«
»Was hat sie letzten Endes, was ich nicht habe? Komm, sag schon! Ich bade immerhin jeden Tag, und wenn ich einen Mann habe, behandele ich ihn wie einen
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