Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
Vom Netzwerk:
… Du bist früh am Morgen, Sonntag, den Vierten, gekommen, und wir haben ohne Unterbrechung Sonntag, den Vierten, Montag, den Fünften, und Dienstag, den Sechsten, durchgevögelt. Heute ist Mittwoch, der siebte Januar. Heute ist dein Geburtstag!«
    »Wirklich?«
    »Ja. Wie alt wirst du? Sag mir die Wahrheit.«
    »Siebzehn.«
    »Verdammt, das Leben tanzt mit dir echt einen harten Conga! Du wirkst wie dreißig.«
    »Ach, nerv nicht rum.«
    »Na gut, ist auch egal. Ein Grund, zu feiern.«
    »Feiern womit, Magda? Wir haben gerade drei Tage durchgefeiert oder vier, ich weiß gar nicht mehr. Und ich hab nur noch fünfundzwanzig Cents in der Tasche.«
    »Ich treibe was auf. Auch wenn’s nur ein bisschen Rum ist.«
    Beide waren wirklich dreckig. Und kratzten sich. All die Wanzen, Läuse und Filzläuse machten sie wahnsinnig. Rey blieb in der Zimmertür stehen und sah unwillkürlich hinüber zu Sandras Zimmer. Es stand offen. Er ging rüber. Steckte den Kopf hinein. Darin war nichts. Leer und verlassen. Sogar die Pfähle, die den geborstenen Teil abstützen sollten, hatte man gestohlen. Er ging zurück zu Magda und fragte sie: »Was ist in Sandras Zimmer passiert?«
    »Keine Ahnung, und es ist mir auch egal!«
    »Aber … Magda … Wie, du hast keine Ahnung?«
    »Das müsstest du eigentlich besser wissen als ich … jedes Mal, wenn ich daran denke, habe ich eine Wut im Bauch … du dreckiger Knabenschänder.«
    »Iiiich? Nein.«
    »Es heißt, man habe diese Schwuchtel festgenommen und alles durchsucht. Ich habe nichts gesehen. Das sagen die Leute hier.«
    »Aber all ihre Sachen? Der Fernseher, die Musikanlage, der Kühlschrank? Sandra hatte alles hier drinnen.«
    »Ich habe dir schon gesagt, ich weiß nicht, und es ist mir auch egal. Wenn sie ihn eingesperrt haben, hoffe ich, er kriegt zwanzig Jahre aufgebrummt.«
    »Verdammt, warum bist du so boshaft?«
    »Überhaupt nicht. Ist der Hund tot, ist Schluss mit Tollwut.«
    Sie steckten sich die letzte Zigarette an, die sie noch hatten, und setzten sich auf die Treppe. Um auf eine Idee zu warten. Magda hatte weder Geld noch Erdnüsse zum Verkaufen. Rey hatte fünfundzwanzig Cents in der Tasche. Sie sahen auf eine Wasserlache im unteren Stockwerk. Durch den Rost von Eisenbruch hatte sie sich rot gefärbt. Rey sagte: »Wir könnten Kakerlakengift verkaufen.«
    »Und woher willst du Gift bekommen?«
    »Das rote Wasser da sieht aus wie Gift … in kleine Fläschchen und fertig.«
    »Red keinen Scheiß, Rey. Niemand kauft Gift gegen Kakerlaken. Was machen den Leuten schon Kakerlaken aus?«
    »Also müssen wir uns eine Heiligenfigur besorgen und um Almosen betteln.«
    »Zwei Heiligenfiguren. Eine für mich, eine für dich.« Sie zogen los. Sahen aus wie zwei Zombies. Sie gingen die Campanario hoch bis zur Kirche La Caridad. Dort gab es Heiligenfiguren aus Gips. Mehrere dieser Figürchen, mit abgerissenem Kopf und von Hexerei umgeben, waren am Kirchenportal abgelegt. Sie schnappten sich zwei davon, brachten den Kopf wieder ins Gleichgewicht und versuchten ihr Glück gleich vor Ort. Aber nein, niemand gab ihnen auch nur einen Centavo. Sie gingen zur Galiano, wo es von Tausenden von Leuten wimmelte, die von einem Laden in den nächsten sahen, und weiteren Tausenden, die alles Mögliche auf der Straße verkauften. Kungelware, von Modeschmuck bis hin zu Markenschuhen. Hier hatten die Leute Geld, dachten sie. Mit betrübtem Gesicht murmelten sie irgendetwas und hielten die Hand auf. Nichts. Unglaublich, aber wahr. Nichts. Nicht ein Geldstück. Magda hatte für so etwas keine Geduld. Sie wollte lieber woanders zehn oder zwanzig Pesos auftreiben und diesen Hungerleider mit seinen Figürchen stehen lassen. Gierig sah sie hinüber zu ein paar alten Säufern im Park Galiano/Ecke San Rafael. Niemand biss an. Aber sie gab sich nie leicht geschlagen. Sie ging zu ihnen. Und wenn sie ihnen die Pesos aus der Tasche ziehen musste, würde sie ihnen eben die Pesos aus der Tasche ziehen, aber zu ihren Erdnüssen würde sie zurückkehren, so oder so. Fröhlich grüßte sie, provozierte, lächelte. Sie setzte eine Miene auf, die signalisierte, dass sie bereit war. Nichts zu machen. Die da waren zu alt und zu betrunken und ignorierten sie völlig. Rey sah von weitem zu und machte sich über sie lustig.
    »Du verlierst deine Reize … hahaha …«
    »Ich habe mich zu sehr verausgabt. Du hast mich völlig kaputtgemacht mit deinem Wahnsinnsgevögel Tag und Nacht. Außerdem sind das ein paar alte Scheißer,

Weitere Kostenlose Bücher