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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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denen er nicht mal mit einem Kran hochzubringen wäre.«
    »Du bist schon ganz schön alt. Ich bin jung und stark.«
    »Alt? Ich bin achtundzwanzig, nicht älter!«
    »Du siehst aus wie vierzig.«
    »Ach, sei still … außerdem treibe ich uns ein paar Pesos auf, um deinen Geburtstag zu feiern.«
    »Lass das Theater. Du treibst uns ein paar Pesos auf, damit wir nicht verhungern.«
    »Was für ein undankbarer Kerl du doch bist, Bürschchen! Du kannst einem wirklich das Leben vergrätzen!«
    »Undankbar? Nein. Ich bin bloß knallhart, genau wie in dem Lied: Führ mich nicht an der Nase herum, sonst verbrennst du dir die Finger.«
    »Aha, der ganz Ausgebuffte … Rey, der König von Havanna … hahaha.«
    »Was heißt hier hahaha? Ja, Rey, der König von Havanna! Knallhart. Hier kann mir keiner mehr das Wasser reichen.«
    »Du bist ein Jüngelchen, Rey. Spiel nicht den Abgebrühten. Du hast noch viel zu lernen.«
    »Und wer soll mir das beibringen? Du?«
    »Weder ich noch sonst jemand. Du bist ein gewitzter Kerl. Entweder lernst du von alleine, oder du gehst kaputt.«
    »Ich brauche nichts mehr zu lernen.«
    Während sie so miteinander frotzelten, spazierten sie die Galiano hinunter zum Malecón. Ein Tourist mit einem großen Rucksack auf dem Rücken und ängstlichem Gesicht fragte sie nach der Avenida Italia. Sie wussten nicht, wo die sein sollte. Sie waren auf der Galiano. Der Tourist war verwirrt.
    »Dies ist die Avenida Italia?«
    »Nein, Señor, dies ist die Galiano. Eine Avenida Italia gibt es nicht.«
    »Ohhh.«
    Die Bestürzung des Typen vergrößerte sich. Sie baten ihn um eine kleine Münze für Essen. Der Tourist machte eine verächtliche Handbewegung und ging eilig weiter. Auf der Suche nach der Avenida Italia. Vielleicht lag darin für ihn das Leben.
    Sie gingen weiter zum Malecón. Zwei Leute gaben ihnen ein bisschen Kleingeld. Jetzt hatten sie dreißig Centavos. Es wurde Abend, und das Meer war ruhig. Zwei Kerle warfen ihre aufgepumpten Reifenschläuche ins Wasser. Auf diesen Flößen saßen sie nachts und angelten, Arsch und Füße im Wasser. Sie dümpelten zweihundert, dreihundert Meter vor dem Ufer und warfen ein paar Angelschnüre mit Köder aus Blei aus. Manchmal saßen sie die ganze Nacht vergebens im Wasser. Andere Male machten sie einen guten Fang. Vor allem wenn sie genau über der Hafeneinfahrt in Stellung gingen. Oft fingen sie nur eine Hand voll kleiner Fische, die sie am nächsten Tag verkauften. Das war Reys Traum. Eines dieser Flöße zu besitzen und über die dunklen Gewässer zu dümpeln, dabei die Angelschnüre zu bewegen, bis ein großer Fisch anbiss. Er konnte nicht schwimmen. Aber das konnte er lernen. Eine Zeit lang sah er gedankenverloren den Typen zu und träumte davon, seine Geräte und sein Floß zu haben und jede Nacht große Fische zu fangen. Magda holte ihn aus seinen Grübeleien.
    »Los, komm, beweg dich.«
    »Wohin?«
    »Lass uns bis zur Bushaltestelle gehen.«
    Zehn Minuten später saßen sie auf der Eingangstreppe der Kapelle. Mit den Heiligenfiguren in der Hand. Die Gläubigen von La Milagrosa, der wundertätigen Mutter Gottes, gingen ein und aus, und einige gaben ihnen ein bisschen Kleingeld. Oft hielten Busse, und Hunderte von Leuten stiegen ein und aus, halb hysterisch sahen sie hasserfüllt jemanden an, der sie am Po angetatscht oder versucht hatte, ihnen die Hand in die Tasche zu stecken. Diejenigen, die einstiegen, nahmen alle Kraft zusammen, um zu stoßen und zu drängeln. Diejenigen, die ausstiegen, atmeten tief durch und entspannten sich und beruhigten ihre Nerven. Magda, mit harter, finsterer, verkniffener Miene, war völlig in ihrem Element. Sie hatte mit einer Reihe von Busfahrern ein Verhältnis gehabt. Na, vielleicht nicht ganz, aber zumindest hatte sie ihnen für fünf Pesos den Schwanz massiert. Immerhin etwas. Jetzt, ohne Erdnüsse, war sie ein Niemand. Als ein Bus kam, suchte Magdas Blick den Fahrer, und als sie ihn wiedererkannte, sprang sie auf, als hätte sie eine Sprungfeder im Arsch. Sie trat ans Fenster, und die beiden sprachen leise miteinander. Sie wies hinüber zu Rey. Dann sprachen sie wieder. Der Bus fuhr an. Lächelnd kam Magda zurück und sagte: »Schätzchen, ich habe dir einen kleinen Job besorgt.«
    »Als was?«
    »Als Stapler im La Caribe.«
    »Ääächt? Bierkisten stapeln etwa?«
    »Klar.«
    »Ich bin viel zu dünn dafür. Und ziemlich ausgehungert.«
    »Aber du bist stark, Süßer, ein richtiger Knüppel.«
    »Und wie komme ich

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