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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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nicht, Magda um diese Stunde an der Bushaltestelle beim Verkauf von Erdnüssen anzutreffen. Und er traf sie nicht an. Ein Kerl stritt sich mit einem anderen. Plötzlich griff er nach einer Plastikpuppe, die er in einem Beutel bei sich trug, und schlug dem anderen damit auf den Kopf.
    »Du hintergehst mich nicht mehr, jetzt ist Schluss, es reicht!«
    Der andere hob schützend einen Arm und packte seine Hand. Der Kerl befreite sich aus dem Griff und schlug weiter mit der Puppe auf ihn ein, wobei der Kopf abfiel und in Stücke brach. Daraufhin warf er die Reste der Puppe beiseite und schlug weiter mit geballten Fäusten auf ihn ein. Er schlug zu wie ein hilfloses, unterernährtes Mädchen. Gleichzeitig beschimpfte er ihn weiter: »Noch nie habe ich einen Mann gehabt, der mich so hintergangen hat! Noch nie!«
    Ohne den Mund aufzumachen, schützte sich der andere, so gut er konnte, bis er plötzlich dessen Arm packen und abrupt verdrehen konnte, und in einem Anfall von grimmiger Wut brach er ihm die Knochen, indem er einfach sein Knie dagegen stemmte, dass es knackte. Befriedigt und sarkastisch betrachtete er sein Werk: Der mit dem gebrochenen Arm sah vom Boden zu ihm hoch, entsetzt, starr vor Schmerzen. Er hatte so große Schmerzen, dass es ihm die Sprache verschlug. Mehrere Personen, die zusahen, waren ebenfalls sprachlos. Der Einzige, der das Schweigen brach, war ein betrunkener alter Mann, der aufmerksam das Geschehen verfolgte, während er ein ums andere Mal wiederholte: »Diese Welt ist verloren … seht euch das an … diese Welt ist verloren … seht euch das an …«
    Der mit dem gebrochenen Arm blieb am Boden liegen. Der andere spazierte davon, als sei nichts gewesen. Alle taten so, als hätten sie nichts gesehen, und schauten weg. Rey ging weiter durch den Maceo-Park bis zur gemauerten Brüstung des Malecón. Es mochte etwa Mitternacht oder zwei, drei Uhr morgens sein. Völlig egal. Kaum jemand war zu sehen. Zwei, drei Paare tranken Rum und vögelten auf den Bänken, und zwei, drei Typen sahen zu und wichsten ihr Ding rhythmisch und verträumt. Alles in Ordnung. No problem.
    Da fiel Rey ein, dass er ein paar Dollar in der Tasche hatte. Er sah hinüber zur Fiat-Cafeteria, und plötzlich knurrte der Hunger wie ein Tiger aus der Tiefe seiner Eingeweide. Buchstäblich. So etwas geschieht nur selten im Leben. Man ist entsetzt, weil man glaubt, der Tiger könne einen wirklich zerfleischen, angefangen bei den Gedärmen, die sich nach außen vorarbeiteten. Und dieser Gedanke haut den größten Macho um, verdammt. Man muss dringend etwas zu essen auftreiben, um den Tiger zu besänftigen. Eilig ging Rey weiter. Er bahnte sich seinen Weg durch die gewohnte Fauna unbedarfter Touristen, die auf billigen hochkarätigen Sex aus waren, mit Strichmädchen und -jungen, die sich nach dem Touristenkandidaten ihres Lebens sehnten, der sie heiraten wollte. Darunter schwirrten auch ein paar Schwule umher sowie einige brutal maskuline und verbissene Lesben und Verkäufer von widerlichem Rum, geschickt abgefüllt in Flaschen von zugelassenem Paticruzado. Innerhalb von zwei Minuten hatte er zwei Hot Dogs mit Bacon verschlungen sowie zwei Biere. Diesmal versteckte er die ihm verbliebenen Dollars gut. Er kaufte ein Päckchen Zigaretten und ging zum Malecón, um zu rauchen. Müde war er nicht. Seit Tagen hatte er sich nicht gewaschen und rasiert, sah aber noch nicht wie ein Bettler aus. Er war nur etwas zerknittert, schmuddelig, zerzaust, wodurch er ziemlich organisch in das apokalyptische Ambiente der Städte am Ende des Jahrtausends passte. Auffallend feingliedrige und sinnliche Schwule und derbe, besoffene Lesben baten ihn ständig um Zigaretten. So wurde er fast sein ganzes frisch gekauftes Päckchen los, bis er reagierte: Oh, er hatte sich auf den Malecón gegenüber der Fiat-Cafeteria, gesetzt, genau dort, wo sich alle Gays und Lesben zum Aufriss trafen. Himmel Herrgott. Er rückte etwas weiter weg in Richtung Maceo-Park, aufs Territorium heterosexueller Liebe samt dazugehöriger Voyeure, die selbstverständlich weniger aggressiv und mehr auf ihre eigenen Angelegenheiten konzentriert waren. Er war nicht müde. Was tun? Nichts. Die zwei Zigaretten rauchen, die er gerettet hatte. Er zündete sich eine davon an und schaute aufs dunkle, dem Januar entsprechend aufgepeitschte Meer. Die Luft war schön frisch und … ah, da fiel ihm sein Geburtstag ein. Der Wievielte war wohl heute? Er sah sich um. Ein paar Meter neben ihm wichste ein

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