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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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fertigte ein kleines Monument an, eine kleine Pyramide, und tanzte dann um sie herum, zog sich aus, veranstaltete Trommelklänge und umtanzte das Totem. Rey sah ihm lange zu. Er war ein Junge von fünf oder sechs Jahren, der mit seinem Totem spielte, sehr konzentriert auf das, was er tat. Lächelnd. Fasziniert von seinem Totem. Ein paar Schritte entfernt fing jemand im Haus an zu schreien. Ein Streit brach aus. Alle paar Tage kam es zu solchen Streitereien. Das Gebäude war eine große Kolonialvilla mit zwei Stockwerken und einem Innenhof, unterteilt in siebenunddreißig kleine Zimmer. Legal wohnten dort hundertachtzig Personen, hinzu kamen ungefähr fünfzig illegale: Familienangehörige aus anderen Provinzen, Freunde in Not, Liebhaber etc., und alle waren auf zwei winzige Bäder angewiesen. Der Innenhof war einst geräumig und luftig gewesen, aber man hatte dort Zimmer angebaut, um all den Raum zu nutzen. Jetzt war davon nur noch ein enger Korridor von zwei Meter Breite geblieben, über dem ständig Wäsche zum Trocknen hing. In diesem Korridor veranstalteten die Nachbarn ausgelassene Feiern oder Zoff, hauten sich zwei Schwarze um einen Mann oder tranken Kaffee in aller Freundschaft und rauchten Marihuana oder – im Dunkel der Nacht – vögelten und seufzten Liebende miteinander im Stehen.
    Was sich jetzt gerade in dem Korridor anbahnte, hatte man schon lange nicht mehr gesehen: Ein hellhäutiger Mulatte aus Oriente fing an, mit einem riesigen Schwarzen um irgendeinen Betrug zu streiten. Es wurde zu keiner Zeit klar, wer der Betrüger war. Und sie wurden immer hitziger. Langsam kamen die Brüder und Cousins des Schwarzen heraus. Seine Freunde. Die Kollegen von der Gefängnismeuterei. Schnell waren achtzehn bedrohliche Schwarze zusammen, alle darauf aus, dem einsamen Mulatten aus Oriente, dem niemand beistand, den Schädel einzuschlagen. Plötzlich hatte der Mulatte eine Machete in der Hand. Seine Frau hatte sie ihm mit den Worten gebracht: »Lass dich nicht verarschen, schließlich bist du ein Mann.«
    Der Mulatte dachte nicht weiter nach und fing an, rechts und links Hiebe auszuteilen. Einem schlitzte er den Wanst auf, einem anderen hackte er den Arm ab. Das Blut floss in Strömen, tiefrot und dick. Auf einmal wurde der Korridor wirklich sehr klein und eng. Den einzigen Ausgang zur Straße hatte der Mulatte verstellt. Nach hinten gab es kein Entkommen. Der Typ hatte eine Wut von vier Paar Eiern, und als er Blut sah, bemächtigte sich Oggún seiner. Jetzt wollte er richtig Blut sehen. Die unbewaffneten Schwarzen waren aufgeschreckt wie Tiger im Dschungel. Sie wollten die Wände hochkrabbeln wie Fliegen, mit weit aufgerissenen Augen. Von oben kreischten zwei alte Weiber herunter und gossen Eimer mit Wasser aus. Sie waren sich sicher, die Burschen so abkühlen zu können. Der Mulatte konnte nichts mehr sehen. Er schlug mit der Machete auf alles ein, was sich ihm näherte, ohne sich dabei von seinem Posten zu rühren, damit niemand zum Portal flüchten konnte. Er war bereit, das Blutbad zu vollenden. Rasend vor Wut setzte er ihnen zu wie ein mörderisches Raubtier. Fünf Schwarze wurden verletzt und zwei bluteten. Mindestens zwanzig Eimer Wasser waren über sie ausgeschüttet worden. Alle Hunde bellten, die Frauen kreischten: »Bindet ihn fest! Bindet ihn fest, diesen Hurensohn aus dem Oriente!«
    »Gestern erst angekommen, will er heute schon Herr über Havanna sein!«
    »Ruft die Polizei!«
    »Holt einen Knüppel! Habt keine Angst vor ihm! Holt einen Knüppel!«
    »Feiges Schwein! Mit bloßer Hand traust du dich nicht zu schlagen! Feiges Schwein!«
    Endlich kamen zwei Polizisten. Wütend, wie er war, sah der Mann aus Oriente nicht, wie sie sich von hinten näherten. Mit zwei Karateschlägen ins Genick setzten sie ihn außer Gefecht. Der Typ bekam keine Luft mehr, war wie gelähmt und ließ Arme und Machete fallen. Man legte ihm Handschellen an. Langsam bekam der Mulatte wieder Luft und fing an zu schreien und um sich zu treten, um sich von ihnen zu befreien. Einer der Polizisten ließ seinen Gummiknüppel auf seinen Rücken niederkrachen. Der Kerl fiel zu Boden, auf den Mund. Der Polizist verabreichte ihm noch ein paar weitere Schläge mit dem Gummiknüppel, kreuz und quer über die Wirbelsäule.
    »Hör jetzt auf, den wilden Mann zu spielen, und halt’s Maul!«
    Der Mulatte verstummte und wimmerte leise: »Du feige Sau, Scheißkerl, warum hast du mich gefesselt, du Scheißer …?«
    Der Polizist zog ihm noch ein

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