Der König Von Korsika
Heckenschützenduelle mit dem Clan Casacolli verwickelt, der solcherart den eingeschlossenen Genuesern, die verzweifelt darauf warteten, von Graubündner Söldnern entsetzt zu werden, in die Hände arbeitete.
Theodor befahl, in höchster Eile eine Truppe zusammenzustellen, um den Männern Fabianis zu Hilfe zu kommen und Bastia einzunehmen, solange man noch die Mittel dazu besaß. Er selbst verließ mit fünfhundert Mann Corti, weitere zweitausend Soldaten unter dem Befehl Gafforis sollten sich von Aleria aus die Ostküste hinauf in Marsch setzen, und der Teil des Heers, der in der Balagna stand, wurde benachrichtigt, sich am Fuß des Passes von Tegime mit den anderen Truppenteilen zusammenzufinden.
Am zweiten Tag begannen die Schwierigkeiten, aber am ersten konnte Theodor erneut erfahren, daß das Leben im Felde, die Männergesellschaft mit ihrer handreichenden Kameradschaft, mit den einfachen Freuden der geteilten Wasserflasche, dem Schweiß-von-der-Stirn-Wischen und dem gutmütig sonoren Gelächter eine willkommene Simplifizierung der Welt ist, bevor es ans Sterben geht.
Zum ersten Mal nahm Theodor die korsische Landschaft,
die er sich in den engen Tälern ergehen mußte, mit wirklicher Muße wahr. Mit all den spannungsvollen Kontrasten von vertikal hochschießender Zackigkeit und bemoosten, schlafenden Elefanten gleichenden Hügelkuppen, von rauschendem Wildwasser und mondhafter Ruhe himmelspiegelnder Bergseen, von zarter Ziselierung blühender Orchideen in ihren Farnverstecken und greller Ginsterdornigkeit wirkte das Land, als hätte die Hand eines zürnenden Gottes einen lieblichen Kontinent gepackt und zu einer spitzigen kleinen Insel zusammengedrückt, in deren Falten noch die ehemalige Größe ächzte.
An diesem ersten Tag lachte Theodor viel mit seinen Soldaten, und die scherzten respektvoll mit ihrem König. Am zweiten aber wurde der Marsch durch Schnee unterbrochen, der meterdick lag und das Hochtal unpassierbar machte. Wo kommt der verfluchte Schnee her? Es ist Hochsommer! schrie Theodor, als man ihm auf der Karte die Ausweichroute zeigte, die einen zusätzlichen halben Tag kosten würde.
Am Abend des zweiten Tages wurde festgestellt, daß die Hälfte der mit Munitions- und Pulverkisten bepackten Esel samt ihren Treibern verschwunden waren. Angeblich hatten sie ihren Sold nicht erhalten.
Am dritten Tag wurde die Truppe erneut aufgehalten, und zwar durch eine Schießerei in einem verbarrikadierten Bergdorf, dessen Bewohner, wie sich herausstellte, eine Blutfehde mit einem der Soldaten zu regeln hatten. Es war derselbe Soldat, der die Umgehungsroute vorgeschlagen hatte. Der einzige Weg lag im Kreuzfeuer aus zwei Häusern, es war kein Durchkommen, und erst als Theodor den Soldaten mitten auf der Straße erschießen ließ, konnte seine Armee ohne weitere Verluste passieren. Unterdessen hatten sich mehrere Grenadiere, die aus der Gegend stammten und sich weigerten, dem Dorf Schaden zuzufügen, mitsamt ihren Musketen davongemacht.
Theodors zusammengeschmolzene Truppe traf mit zwei Tagen Verspätung am Fuß des Passes von Tegime ein und war dennoch die erste. Gaffori, der am folgenden Morgen erschien, hatte ähnliches zu berichten. Die Armee, die schließlich vor den Zinnen der Zitadelle von Bastia stand, war keine mehr.
Von Theodors Haufen waren weniger als zwei Drittel durchgekommen, und Gafforis Truppe bestand, was offenbar niemandem aufgefallen war, zum großen Teil aus Söhnen Bastias, die sich weigerten, ihre eigenen Häuser und Familien zu beschießen. Der korsische Befreiungskampf glich einer Sanduhr, der, wie oft man sie auch zu neuen Versuchen umdrehte, aller Inhalt wegrieselte, um sich am Boden als Sediment ewiger Unbelehrbarkeit aufzuhäufen.
Mit den vielleicht zweitausend Mann, die noch übrig waren, aber nicht über genügend Munition verfügten, konnte außer ein wenig symbolischem Beschuß gegen die mittlerweile von Graubündner Söldnern verstärkte Zitadelle nichts ausgerichtet werden, und Theodor mußte noch froh sein, daß die Genueser nicht etwa einen Ausfall wagten, der seine fadenscheinige Armee gewiß aufgerieben hätte.
Verbittert legte der König sich auf die Pritsche in seinem Zelt und ließ sich in Fieber und Stumpfsinn fallen. Mit dem Selbstmitleid kamen auch Schüttelfrost und Zahnschmerzen.
Ich will in einem zivilisierten Land sein, dachte er, in einer großen, hellen Stadt, in einem bequemen Bett. Trübsinnig hörte er den Regen auf die Zeltplane fallen, später auf
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