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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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das Dach der Sänfte, in der er zurückgetragen wurde, die roten Samtvorhänge blieben zugezogen. Eine Hand spielte in einer offenen Geldkassette mit den Silbermünzen, die sein Konterfei zeigten.
     
    Es war in Sartè im September. Die Generäle hatte Theodor gebeten, sich eine feste Residenz zu suchen und ihnen die
Feldzüge zu überlassen. Theodor war froh, dem Bischofspalast von Cervioni entronnen zu sein, der kleiner war als seine Florenzer Wohnung. Er wollte ein wenig Luxus und Pracht um sich haben nach dem frugalen und unkomfortablen Wanderleben der letzten Wochen und Monate. Er brauchte Raum für die Bibliothek, die er sich anlegen ließ, für die Bediensteten, die sich um sein leibliches Wohl sorgten. Er fühlte sich schwach und abgezehrt, selbst nach dem Baden schmutzig, und sein Mund, aus dem er nach dem katastrophalen Feldzug auf Bastia zwei weitere Zähne hatte ziehen lassen müssen, schmeckte hohl und bitter.
    Es gibt, im Kleinen wie im Großen, Gewißheiten, die eine bestimmte Weile in Latenz existieren, ohne sich in Realitäten zu verwandeln, und die die vergehende Zeit sozusagen erst einholen muß.
    Im Kleinen wußte Theodor auf seiner Pritsche vor Bastia, als die Zahnschmerzen einsetzten, daß eine neuerliche Folterstunde beim Zahnausreißer unumgänglich sein würde, vergaß diese Tatsache in den folgenden Wochen aber so vollkommen, daß auch die Schmerzen verschwanden, und der Tag der Operation, als er dann anbrach, ihn aus heiterem Himmel in Panik stürzte.
    Im Großen war ihm, als er seine Schrumpfarmee hilflos Kanonenkugeln auf die Zitadelle abfeuern ließ, bewußt, daß er seine Herrschaft, sein Werk, irgendwann, ohne beides befestigt zu haben, würde unterbrechen müssen, um auf den Kontinent zurückzukehren und dort zusätzliche Waffen und Kredite loszueisen. Das stand ihm bevor, doch Theodor wollte dem Unvermeidlichen und Feindseligen nun nicht auch noch von sich aus versöhnliche oder resignierte Schritte entgegengehen. Solange der Moment noch nicht da war, existierte er nicht und würde nie existieren.
    Von September an also wußte Theodor, daß er Korsika, wo alles noch in den Anfängen lag, verlassen mußte, und wußte doch auf eine schwer zu begreifende Weise zugleich
nichts davon, so daß er in zuversichtlicher Zukunftsblindheit weiterregieren konnte.
    In Portivechju empfing er persönlich die ersten Hugenotten und spanischen Juden und überreichte ihnen ihre Einbürgerungspapiere. Vergessen waren in diesem Moment die hitzigen Diskussionen mit den Patriziern, von deren Einwänden die neuen Siedler zum Glück nichts ahnten. Einen Tag lang zeigte sich die Insel von ihrer schönsten Seite, entlockte den Neuankömmlingen entzückte Ausrufe der Bewunderung, und die Bilder aus Theodors Regierungsträumen und die, die er jetzt vor Augen hatte, legten sich unter einer sanften Spätsommersonne harmonisch übereinander.
    In Sartè wurde die Situation des noch immer nicht befreiten, noch immer nicht allseits anerkannten Königreichs anläßlich einer consulta diskutiert, bei der Theodor schonungslos, aber mit begründbarem Optimismus alle Zahlen auf den Tisch legte. Es war mit den eroberten Städten, dem stehenden Heer, der Münze und dem einsetzenden Geld-und Devisenfluß, den wiedereröffneten Bergwerken, neuen Manufakturen, ersten Exporterfolgen, dem mittlerweile konstituierten Gerichtshof und der Grundsteinlegung für die Universität trotz aller Rückschläge und Niederlagen eine Bilanz, die sich sehen lassen konnte.
    Dennoch wurde, hauptsächlich von jenen, die Theodors Lieferungen für sich selbst auf die Seite geschafft hatten, der Mangel an Nachschub und Mitteln und die zu luxuriöse Haushaltung des Monarchen moniert. Don Luigi Giafferi und Ghjacintu Paoli legten zur Antwort jeder zwei Säcke Gold auf den Tisch, ihr persönliches Vermögen, das sie mit einfachen Worten dem König und der Heimat spendeten, zum Zeichen ihres unbedingten Glaubens an den Sieg der gemeinsamen Sache.
    Dieser runde kleine Mann, dachte Theodor gerührt und erinnerte sich des stinkenden Kontors in Livorno, stachlig
und hart wie eine korsische Kastanie, aber seit der ersten Begegnung war er ihm nie untreu geworden.
    Das Schweigen, das auf diese Geste folgte, empfand Theodor als einen der hohen Momente seines Königtums, ebenso wie am folgenden Tag, dem sechzehnten September, die feierliche Stiftung des »Ritterordens der Erlösung«.
    Alles war ein wenig größer, sauberer, prunkvoller als bei der arg

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