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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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letztlich niemandem geschadet habe.
    Aber der Verräter untergräbt Ihre Königswürde, Don Teodoro! war noch das Harmloseste, was er zu hören bekam. Der Kanonikus Orticoni meldete sich zu Wort, und wie jedesmal, wenn der unternehmende Mann sich plusterte, sah Theodor Meister Rabe auf seinem Ast krächzen.
    Majestät, Don Teodoro, begann der Geistliche und machte eine perfide Pause zwischen den beiden Anreden, als wäge er die zuerst gesprochene im Munde, schmecke an ihr, finde sie unpassend oder ungenießbar und spucke sie aus, um die minder ehrerbietige als die angemessenere stehenzulassen. Don Teodoro, dieses Todesurteil ist eine Frage der Ehre, der Ehre des Königtums, die auch auf uns, seine Garanten und Bewahrer ausstrahlt und zurückfällt. Vielleicht seid Ihr ja in solchen Fragen der korsischen Ehre ein wenig verwirrt, seit Ihr mit einer stadtbekannten Dirne Kommerz pflegt...
    Die anderen murmelten peinlich berührt.
    Habt Ihr denn wenigstens vor, die Schande, die diese Kreatur auf die Majestät wirft, dadurch abzuwaschen, daß Ihr sie legitimiert, um das Gerede zu beenden?
    Theodor lächelte schmallippig. Aber mein lieber Abbé, sagte er und legte in dieses Wort all die Verachtung eines Mannes, der am Hofe des Regenten in jedem zweiten Raum einen Schwarzrock am Werk hatte sehen können, der mit geraffter Soutane breitbeinig vor einem Himmelbett stand und sich, von einer Nonne oder Bäckerstochter auf der Blockflöte begleitet, im Vorsingen der Psalmen übte, mein lieber Abbé, ich folge auch hierin ganz dem guten Beispiel des katholischen Klerus, im übrigen bin ich längst verheiratet, oder wollen Sie mir aus dem reichen Schatz Ihrer Erfahrung die Vielweiberei schmackhaft machen?
    Orticoni zuckte zusammen, als hätte Theodor ihm eine Ohrfeige versetzt, aber diese Scharmützel, die der König im
Geiste seiner rhetorischen Lehrzeit in Versailles führte, wo es darauf angekommen war, blitzschnell einen sauberen Treffer zu setzen und die Lacher auf seiner Seite zu haben, nicht darauf, eine Runde von zwanzig Selbstgerechten von den Vorzügen vernünftigen Denkens zu überzeugen, diese Scharmützel halfen ihm nicht weiter.
    Er hatte diejenigen Herren gegen sich, die als Nachbarn der Casacolli sich von der Beseitigung des Clanführers und der Einziehung seines Besitzes Nutzen versprachen, dazu die Gier anderer, ein Exempel zu statuieren, wer weiß, aus welchen seltsamen psychologischen Gründen sie zu erklären war, vielleicht auch, dachte Theodor resigniert, aus simpler Blutlust und Todesgeilheit. Schließlich redeten auch die besonnensten und einsichtigsten seiner Minister, Giafferi und Paoli, gegen eine Begnadigung.
    Don Teodoro, es ist eine Sache des Prinzips, ganz wie bei der von Euch entschiedenen Todesstrafe gegen die Bluträcher. Wir können nicht aus taktischen Erwägungen heraus die von uns selbst geheiligten Gesetze brechen, wenn wir glaubwürdig und Ehrenmänner bleiben wollen.
    Wenn ich es kann, dachte Theodor, der hier schließlich der Gekränkte ist, dann könntet ihr es schon lange, ihr Ehrenmänner.
    Theodor setzte sich nicht durch. Tat er alles dafür? Verzichtete er vielleicht auf die letzten Mittel, damit das Unvermeidliche geschehe und sie erlebten, daß er recht gehabt hatte, und es zugeben mußten? Es wurde abgestimmt, und nur der treue Giafferi und Sebastiano Costa stimmten mit dem König.
    Der Verurteilte erhielt Gelegenheit zu einem letzten Wort, dem Theodor nicht mehr zuhörte, genausowenig wie er sich bei der am nächsten Morgen stattfindenden Exekution durch Vierteilen sehen ließ.
    Aber der Ort war klein, und das Zuhören ließ sich nicht vermeiden. Durch geschlossene Läden und offene Fenster
hörte der König, wie die eisernen Manschetten einrasteten, wie den Gäulen ein »Hüh« zugerufen wurde, hörte das seltsam ploppende Geräusch aus ihren Pfannen springender Knochen und danach das Schmerzensgeheul des bis dahin stoisch stummen Sterbenden. Er hörte das Reißen von Sehnen und Muskeln und das Entsetzensgegurgel der Menge, er hörte das mühsame Hufgeklapper der vier ziehenden Pferde.
    Es dauerte keine vierundzwanzig Stunden, da wurde in der Residenz ein blutverschmierter Kleiderfetzen abgegeben, und weitere fünf Tage später, Theodor weilte in Sulenzara, wo ein holländisches Schiff mit Waffen und Munition vor Anker lag, erhielt er Nachricht, der Oberst Fabiani, der Bastia erstürmen sollte, sei ermordet worden, und die kopflose Truppe, anstatt die Stadt zu belagern, in

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