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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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ich mit den Augen dem Flug der Vögel über meinen Kopf hin gefolgt. Ich spürte, daß auch ich selbst nur ein Reisender über dem Wind sei. Eine Stimme vom Himmel schien mir zu sagen: Mensch, für dich ist die Zeit noch nicht gekommen, davonzuziehen. Warte, bis der Wind des Todes sich erhebt, dann erst wirst du die Schwingen breiten und in jene ungekannten Regionen fliegen, nach denen es dein Herz verlangt.«
    Bestürzt blickte Theodor von dem Papier auf und machte eine unwillkürliche Bewegung, als wollte er tatsächlich versuchen, zu der sich rund und dunkel aus der Morgendampfigkeit erhebenden Insel zurückzufliegen. Costa, der neben ihm stand, zuckte zusammen und blinzelte den König fragend an. Sweeney, an der Reling lehnend, hatte sich eine Pfeife angezündet, deren vom Wind zerfaserter Rauch wie eine persönliche kleine Parodie auf
den Dunst wirkte, der die Küstenlinie Korsikas verschleierte und über dem die Silhouette der Berge wie ein auf Nebeln gebautes Schloß schwamm. Ein Diener näherte sich dem König und reichte ihm und den Umstehenden Tee. Upworth seufzte genießerisch und verlangte nach Milch.
    Theodors Augen konnten sich nicht von der Insel lösen. Wie unglaublich, wie überwältigend schön sie war! Da trieb sie majestätisch und langsam davon, und er wurde sich bewußt, daß seine Gefühle eben erst auf ihr landeten.
    Ubi libertas, ibi patria! Dies war seine, des Heimatlosen Heimat gewesen, der Ort, den er sich erwählt und erschaffen hatte. Dies ist mein Land, dachte Theodor erschreckt und mußte an seine Mutter und seine Schwester denken, die beide ohne ihn gestorben waren, und an seine Frau, die er ohne ein Wort verlassen hatte. Versäumnisse eines Lebens, nie wieder zu reparieren.
    Aber hätte er denn irgend etwas anders machen können, um jetzt nicht auf diesem Schiff zu stehen, das nach Osten segelte? Ihm fiel nichts ein. Er hatte nie eine Wahl gehabt und alle Entscheidungen nach bestem Wissen getroffen. Er mußte sich in Erinnerung rufen, daß es ja keineswegs ein Abschied für immer war. Es war eine notwendige und von langer Hand geplante Reise, und in wenigen Monaten würde er wieder zurückkommen.
    Sein Blick fiel auf die beiden Journalisten vom Gentleman’s Magazine. Sie standen nebeneinander an der Bugreling und blickten in Richtung Festland.
    Es ist ein angenehmer Gedanke, nach all den Monaten wieder Richtung Heimat zu segeln, nicht wahr? sagte Mr. Upworth.
    Da pflichte ich Ihnen bei, Jeremiah, sagte Mr. Sweeney. Es war eine lange Zeit. Man sollte es kaum glauben, aber ich freue mich sogar auf den Londoner Nebel und Regen.
    Nun, wir wollen nicht übertreiben, antwortete Mr. Upworth.

Vierzehntes Kapitel
    Um den genuesischen Häschern und den von der Republik gedungenen Kopfgeldjägern zu entgehen, mußte Theodor sich von einer sicheren Enklave zur nächsten hangeln und ständig im Schutzbereich neutraler oder freundlich gesinnter Höfe und Botschaften verweilen. Zugleich war er gezwungen, so schnell wie möglich die größten Gläubiger – zwischen seinen persönlichen und denen des schwankenden Königreichs Korsika bestand oft genug Personalunion – dadurch zu beruhigen, daß er weitere Lieferungen und Kredite von ihnen verlangte und dabei mit den wenigen Sicherheiten jonglierte, die er zu bieten hatte. Als eine in allen Bankhäusern des Kontinents notorisch bekannte Figur war er aber in günstigerer Verhandlungsposition als zuvor. Nur ein Gläubiger, dem man so viel schuldet, daß der eigene Fall auch ihn mit ins Verderben reißt, ist ein sicherer und vertrauenswürdiger Handelspartner. Die übrigen glaubte Theodor vorerst vernachlässigen zu dürfen.
    Mit einem Gefühl der Erleichterung, von dem er nicht recht zu sagen wußte, ob es der abgeworfenen Bürde der täglichen Verantwortung geschuldet war oder der Aussicht darauf, den beim ersten Mal notwendig gestümperten Herrschaftsentwurf wiederholen und verbessern zu dürfen, fuhr er nach Rom, nahm den Kardinal Alberoni in die Bruderschaft des Erlösungsordens auf und ließ sich das durch ein Empfehlungsschreiben an den König von Savoyen entgelten.
    Der wollte eine Unterstützung des Unabhängigkeitskampfes nicht prinzipiell ausschließen, gab aber zu bedenken,
er habe von Campredon und Amelot erfahren, Fleury sei geneigt, dem Hilferuf der Republik Gehör zu schenken. Un- oder halbverrichteter Dinge, aber wenigstens in der Hoffnung, in Savoyen einen potentiellen, wenn auch nicht sonderlich gewichtigen Alliierten zu besitzen,

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