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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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dramatisch schwarz umrandeten Lidern, die simpelsten Stücke durch Triller und Arabesken phantastisch ausschmückend und sein gesamtes Repertoire in immer neuen Modulationen Tag für Tag wiederholend, drei Wochen lang die Illusion aufrechterhalten zu können, es mit einem zweiten Händel zu tun zu haben.
    Die Anspannung – würde er sich verspielen, würden sie merken, daß er ihnen allabendlich dieselben Kompositionen vorsetzte – und die Erleichterung – wie Kinder warfen sie auf ihrem Zimmer die Goldmünzen in die Luft und krochen dann kichernd unter dem Bett herum, um sie wieder zu finden – entluden sich, zurück in London, in ausgelassenen Tanzabenden in billigen Schwofs am Hafen, wo sie nicht riskierten, einem ihrer potentiellen Mäzene über den Weg zu laufen.
    War der Lohn solcher Anstellungen wieder aufgebraucht für Miete, Kleidung, Equipagen, standen sie draußen im Nieselregen vor der Oper und den Konzertsälen und hörten der fernen, gedämpften Musik schweigend und einander umarmend zu, um später in der Überzeugung nach Hause zu gehen, kein in einer Loge gehörtes Singspiel habe
sie jemals so bewegt wie diese vom Regengeplätscher und Hufeklappern zerrissenen Musikfetzen.
    Eine andere lukrative Beschäftigung, zu der Theodor auf gleichem Wege kam, war die eines Kenners der Malerei und Bilderkäufers im Dienste eines unermeßlich reichen Lords, der eine Liebe zur Kunst besaß wie andere seines Schlages eine Schwäche auf der Brust.
    Die Arbeit war so gut bezahlt wie entspannend, denn der Lord, vielleicht kein großes Licht, aber ein Verfechter der Arbeitsteilung mit einem ausgeprägten Sinn für Realismus, der jede seiner Unternehmungen ausgewiesenen Fachleuten übertrug, deren Urteil er blind vertraute, ließ Theodor im Rahmen seines Auftrags, Bilder zu erwerben, die »schön« sein und deren Wert mit der Zeit steigen sollte, alle Freiheiten.
    Der reiste herum, kaufte Jagdszenen für den Jagdsaal, Stilleben für den Speisesaal, zwei gigantische mythologische Arbeiten aus Rubens’ Atelier für die große Halle und gab bei einem in London weilenden Venezianer eine Porträtgalerie der Ahnen seines Kunden in mythologischer Ver- und Entkleidung in Auftrag. Dann allerdings brach er den ungeschriebenen Kontrakt des schlechten Geschmacks und präsentierte einen Watteau, dem weder Jane noch er hatten widerstehen können.
    Sir! rief der Lord.
    Sir? antwortete Theodor mit den hochgezogenen Brauen des an den Brüsten der Kunst gesäugten Kontinentaleuropäers.
    Das Gemälde landete schließlich im Boudoir der Mätresse des Lords in Kensington, und Theodors Anstellung endete mit dem Ankauf seines ersten wirklichen Meisterwerks.
    Der fraglos seltsamste Auftrag dieser Zeit ging von dem Parlamentarier Redgrave aus, der Mitglied einer der jungen Freimaurerlogen war.

    Theodor hatte interessiert einem Gespräch des Politikers über die Alten Pflichten des Reverends James Anderson und die nützlichen Seilschaften der Londoner Großloge gelauscht und dabei einige Begriffe aufgeschnappt, die ihm seltsam bekannt vorkamen und auf denen er improvisieren konnte.
    Als er dann eine mit conjunctio , maza , nigredo und citrinitas gespickte Kurzabhandlung über die Alchimie hielt, horchte Redgrave sofort auf und näherte sich ihm mit einem seltsamen Zeichen, auf das Theodor nicht reagierte.
    Sie sind, wie ich sehe, noch nicht Mitglied der lodge , aber dennoch fraglos ein Initiierter, Sir. Möchten Sie unserer Bruderschaft nicht beitreten?
    Es stellte sich rasch heraus, daß Redgrave bereit war, für ihn zu bürgen, aber selbst auch ein Anliegen hatte, nämlich zu erfahren, ob die Kenntnisse des Barons in der Kunst der Alchimie wohl ausreichend seien, ihn in dieselbe einzuweihen und womöglich eine Transmutation niederer, das heißt wertsteigernder Art zu vollbringen.
    Ein erschrockener Theodor, der sich aus Vanzettis Zeiten an gerade soviel Alchimie erinnern konnte, wie er im Gespräch zum Besten gegeben hatte, besaß immerhin die Geistesgegenwart, mit immensen Investitionen und beträchtlichen Spesen zu kontern, aber Redgrave winkte nur ab: No problem.
    So fand der Baron sich mitsamt seiner Frau und wenigen trüben Erinnerungen an die in des Marcheses Hexenküche verbrachten Stunden auf unbestimmte Zeit in einem leerstehenden Schloß in Gloucestershire untergebracht, wälzte Bücher, um seine Wissenslücken notdürftig zu stopfen, schrieb, umgeben von zwanzig diskreten Hausangestellten, die sich unter der Woche

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