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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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ausschließlich um das Wohl der zwei Gäste zu kümmern hatten – Larbi war seit dem Beginn des Londoner Abenteuers sozusagen ausgeliehen, Theodor hatte ihn fortgeschickt, sich irgendwo zu verdingen,
bis wieder bessere Zeiten anbrächen – Einkaufslisten, und fragte sich dann, was er am Wochenende zum Besuch des Hausherrn an Fortschritten oder Ergebnissen präsentieren sollte.
    Zunächst war es noch mit einem erklärenden Rundgang zwischen Kolben und Gefäßen, säuberlich angeordneten Steinen und Metallen getan, Tabellen mit Tierkreiszeichen und die zugehörigen chemischen Wandlungsprozesse wurden erläutert, oder besser gesagt, im Weihrauch mysteriös klingender Worte zu wichtigen Stufen auf dem Weg zum Werk transmutiert. Montags nach der Abreise des zufriedenen Gönners verfielen sie dann in nervöse Lachkrämpfe.
    Ich sehe den letzten Tag unseres Aufenthalts hier genau vor mir, japste Theodor. Ans Ende der letzten Glasröhre, des letzten Kupferrohrs legen wir ein rotes Samtkissen und plazieren einige von Redgraves eigenen Goldmünzen darauf. Und wenn er sie dann in die Hand nimmt: Nicht nur, Sir, verstehen wir aus englischem Kalkstein Gold zu schaffen, nein, unsere Kunstfertigkeit läßt es auch gleich mit dem Porträt seiner Majestät Georgs I. geprägt erscheinen...
    Irgendwann jedoch fing Theodor Feuer. Die intensive Beschäftigung mit den alten Texten überzeugte ihn, daß womöglich doch mehr hinter der Sache stecken könne. Zum besseren Verständnis zeichnete er einen arbor philosophica und begann, so unvorsichtig mit Schwefelsäure zu experimentieren, daß er sich die Hände verätzte.
    Es war aber nicht die Extraktion des Goldsamens aus Redgraves Barren und seine Verpflanzung in unedleres Metall oder Gestein, die ihn interessierte, sondern tatsächlich das Magisterium , die eigene Transmutation, der Läuterungsprozess, die Vervollkommnung, der Gedanke, Gott in sich gebären zu können. Plötzlich schien alles, Elemente, Astrologie, Mystik auf eine logische Art und Weise zusammenzuhängen, so daß Theodor die Gestalt des Geheimnisses schon zu sehen glaubte wie die Umrisse eines Denkmals
vor der Enthüllung und nur noch den letzten Schleier, der ihn vom Begreifen trennte, fortreißen mußte.
    Die praktische Konsequenz all dessen war, daß er es unterließ, weiterhin Staub zur Täuschung seines Brotherrn aufzuwirbeln, und dessen Geld – und dann auch noch einen Teil des eigenen, abgezweigten – tatsächlich im Dienste des Werkes ausgab, so daß Jane sich nicht anders zu helfen wußte, als eine Kutsche und vier Pferde zu kaufen, um wenigstens etwas davon zu retten.
    Dafür jedoch konnte Theodor Redgrave auf seinen Wochenendbesuchen jetzt mit inspirierten Vorträgen über Hermes und Osiris so sehr in Bann schlagen, daß der Politiker über der Aussicht auf Heiligung seiner Seele die Vergrößerung seines Reichtums mit alchimistischen Mitteln vergaß.
    Trotz, oder vielleicht gerade wegen der Angst, der beständigen Unsicherheit und der zweisamen Einsamkeit, war dieser lange Londoner Sommer, ohne daß sie es wußten, wie ein in diesem Jahr populäres Lied es ausdrückte, zu dem sie in den Spelunken Whitechapels oft getanzt hatten, »vielleicht die schönste Zeit ihrer Liebe«.
    Als ahnte Theodor dergleichen, stürzte er sich nach einem Jahr in England auf die erstbeste Gelegenheit, ein wirklich neues Leben zu beginnen und überließ es Redgrave, sich alleine zu vervollkommnen.
    Ein kursächsischer Gesandter sprach ihm mit verklärtem Blick von der pietistischen Bewegung, von Francke in Halle, bei dem er studiert hatte, und von seinem Freund, dem Justizrat Graf Zinzendorf, der auf seinem Gut Berthelsdorf eine ökumenische Gemeinde ins Leben gerufen habe, und forderte ihn auf, sich den überall aus dem Boden schießenden Kreisen der Förderer und Freunde von Herrnhut anzuschließen, denn Theodor sah gerade wieder aus wie jemand, der über die dazu notwendigen Mittel verfügte. Der gewesene Alchimist entgegnete – und er wußte
ja, vor allem einem sächsischen Protestanten gegenüber, überzeugend zu wirken -, daß es doch viel größere Strahl-und Anziehungskraft haben müsse, wenn ein Mann wie er, mit all den Kontakten und dem Renommee, sich selbst dort niederlasse, sozusagen als praktische Demonstration mit Vor- und Leitbildfunktion.
    Der Sachse, höchst angetan von dieser Idee, vermittelte eine Korrespondenz zwischen Theodor und Zinzendorf, die dank der schwärmerischen und zugleich weltläufig gebildeten

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