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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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ungemein vertraut haben.«
    »Wir waren eine lange Zeit zusammen. Und, glauben Sie mir, man lernt sich in Gefangenschaft sehr gut kennen.«
    Antropowitsch lächelte dünn. »Ich weiß.«
    »Sie waren …«
    Antropowitsch nickte. »Nur wenige Monate, aber das hat mir genügt.«
    »Und wo?«
    Zuerst sah es so aus, als wollte Antropowitsch nicht antworten. »Nicht weit weg von hier.«
    Während Alexander von der Limonade trank, beobachtete er den Bärtigen. »Klimkow, wo sahen Sie ihn das erste Mal?«
    »Auf Nowaja Semlja. Ich war dort als einer der vielen Bauingenieure tätig und musste riesige Bunker und Betonsilos errichten. Ich hatte nur die Pläne zu verwirklichen, und alle Fragen, was denn diese Klötze dort oben auf der ungemütlichen Insel sollten, wimmelte man ab.«
    »War Klimkow zu der Zeit noch Häftling?«
    »Nein. Etwa drei oder vier Monate arbeitete er als sogenannter Freiwilliger unter meinem Kommando. Er war rau und hart, aber ein sehr verlässlicher Typ. Das Raue war nur ein Schutzschild. Hat er Ihnen von seiner Frau und dem Jungen erzählt?«
    Alexander verneinte
    »Beide sind von Verbrechern umgebracht worden, und zwar auf
    der Sowchose, wo sie noch nach Klimkows erster Verhaftung bleiben durften. Manchmal hat man das Gefühl, der Staat und seine Organe legten es darauf an, ihre Untergebenen zu peinigen und zu quälen, denn sie ließen Klimkow nicht zur Beerdigung seiner Familie gehen. Das hätte er vielleicht noch verschmerzt, aber es kam schlimmer. Einige Wochen nach ihrem Tod hat man ihm überhaupt erst von dem Vorfall berichtet. Das hat ihn fertiggemacht, Klimkow muss getobt haben wie ein Verrückter. Seit diesem Zeitpunkt war er verschlossen und brutal, am brutalsten wohl gegen sich selbst.« Es war Antropowitsch offensichtlich ein Bedürfnis, über Klimkow zu reden. Aus seinen Worten hörte Alexander Hochachtung heraus.
    »Klimkow bedeutete Ihnen viel.«
    »Ja.« Der Ältere, der zunehmend gesprächiger wurde, betrachtete seine Hausschuhe und begann zu lächeln. »Er hat mir das Leben gerettet, als unvermittelt eine zehn Meter hohe Schalwand, wir wollten sie gerade mit Beton auffüllen, einstürzte. Alle liefen weg, weil sie Angst hatten, es käme noch mehr nach. Der Major, der die Oberaufsicht hatte, gab sogar den Befehl, die Stelle zu räumen, es würde ja doch niemand mehr lebend herauskommen. Klimkow widersetzte sich und rettete mich. Mit seinen Händen, seinen bloßen Händen, räumte und riss er alles weg. Ich sehe ihn vor mir, wie er mich angrinst und sagt: >Gleich habe ich dich. Dann trinken wir einen Schluck.< Allein und ohne Hilfe hob er einen mehrere Zentner schweren Eisenträger hoch, der mir die Luft abdrückte, und schleuderte ihn auf die Seite. Dann kam ich auf seine Schulter zu liegen. Nie werde ich dieses Gefühl vergessen. Behutsam, so wie ein Vater sein Kind auf die Schulter legt. Und wir waren noch nicht richtig weg, als alles hinter uns zusammenkrachte. Mit Klimkow habe ich einen sehr guten Freund verloren. Vielleicht den einzigen, den ich jemals hatte.«
    Antropowitsch stand auf und schenkte sich einen Wodka ein. Alexander lehnte ab.
    »Gautulin, ist das dein richtiger Name?« Antropowitsch sprach Alexander jetzt mit du an, weil er ihm eine sehr private Geschichte erzählt hatte.
    »Ja.« Alexander wollte nicht auf den Inhalt des Koffers eingehen. »Seit wann bist du auf der Flucht?«
    »Mittlerweile sind es vier Jahre.«
    »Gute Leistung. Normaleweise erwischen sie jeden. Oder die Natur erwischt sie. «
    »Das hätten sie beinahe geschafft.«
    »Du weißt, dass du immer auf der Flucht bleiben wirst.«
    »Damit rechne ich.«
    »In dir ist eine Unruhe, die zunimmt und ohne die du glaubst, nicht mehr leben zu können.« Antropowitsch blieb mit dem Glas in der Hand vor Alexander stehen. »Ich gebe dir einen Rat: Versuche nie, dich zu beweisen, spiele nicht mit deinem Leben.«
    Alexander sah den Älteren von unten an. »Was soll das?«
    »Ich habe viele kennengelernt, die auf der Reise waren, nur noch auf der Reise. Eine seltene Form des Fatalismus hat sie beherrscht, etwa in der Art: Die sollen mich nie mehr einsperren, lieber bringe ich mich selbst um. «
    Alexander lächelte und erinnerte sich an das Versprechen, welches er Rasstil gegeben hatte. »Keine Angst, das werde ich schon nicht tun.«
    »Nein, nicht mit der Kugel oder dem Strick. Ich meine das bedenkenlose Umgehen mit deinem Körper, das Ignorieren von Gefahr. Da du nie weißt, wann die Häscher vor dir stehen

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