Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
Vom Netzwerk:
vor, als hätte sie keine Übung mehr. Überall stieß sie an. War seine Mundhöhle inzwischen geschrumpft?
    »Der Staatsanwalt hat mir dein Geständnis gezeigt.«
    Für Alexander war das alles zuviel, er fand sich nicht mit der Situation zurecht und weinte ebenfalls. »Man hat mich dazu gezwungen, Mutter.«
    »Mein Junge, sag die Wahrheit.«
    Zwei Wachposten zerrten ihn weg, Alexander wehrte sich nicht. Wie sehr hatte er gehofft, seine Mutter zu sehen, sie in die Arme zu nehmen. Nun ließ er sich willenlos abführen.
    Noch ein Blick über die Schulter, seine Mutter winkte und bemühte sich, aufmunternd zu lächeln. Dann fand er sich in einem normalen Büroraum wieder. An einem Schreibtisch hockte der Richter mit berufsmäßig strengem Blick, neben ihm saß ein Schreiber und in der Ecke an einem kleinen Tisch der Staatsanwalt. Wahrscheinlich hatte man ihn wegen seiner Ausdünstungen dorthin verfrachtet.
    In einer Minute waren Alexanders Personalien verlesen und von ihm bestätigt worden. Eigentlich antwortete er gar nichts, und weil er nichts verneinte, dazu hätte er auch keine Zeit gehabt, legte man das als allumfassende Zustimmung aus.
    »So, so, Wolgadeutscher. Wieder einer von den unbelehrbaren Kerlen. Man müsste sie alle ...« Mit zusammengekniffenem Mund sah ihn der Richter an, während er seine Fäuste aufeinander legte und drehte.
    »Angeklagter, mir liegt ein Geständnis vor. Haben Sie es unterschrieben?«
    Alexander schluckte. »Ja, Genosse Richter.« »Taten Sie es freiwillig?«
    Alexander warf einen Blick zum Staatsanwalt. Der nickte unmerklich und hob leicht die rechte Hand, einen Finger spreizte er ab. Nur ein Jahr, frohlockte Alexander.
    »Taten Sie es freiwillig?«
    »Ja, Genosse Richter.«
    »Ich frage Sie hiermit erneut: Geben Sie zu, Devisenbestimmungen verletzt und Widerstand gegen Staatsorgane geleistet zu haben?«
    Wieder ein Blick zum Staatsanwalt. Der nickte erneut.
    »Geben Sie es zu?« bellte der Richter und beugte sich angriffslustig nach vorn. Ihm dauerte das alles zu lange. Noch zwei Fälle hatte er vor dem Frühstück zu bearbeiten.
    Alexander kam es vor, als sitze der Richter im Nebenraum, so gedämpft klang dessen Stimme. »Ja ...«
    »Und für das imperialistische Ausland spioniert zu haben?«
    Alexander verstand zuerst nicht. Dann drangen die Worte allmählich bis in den letzten Winkel seines Gehirns vor. Er war erstaunt, dass er nicht erschrak, als er den Sinn erkannte.
    »Sind Sie ein Agent der Bundesrepublik Deutschland?«
    »Nein«, sagte Alexander mit einer Stimme, die ihm selbst fremd vorkam. »Nein, ich bin kein Spion.«
    »Aber Sie haben doch das Geständnis unterschrieben.«
    Alexander ordnete die Worte. »Nein, habe ich nicht.«
    Der Richter sprang auf. Hochrot sein Gesicht, dick schwollen die Adern an seinen Schläfen an.
    »Angeklagter, ich frage Sie erneut: Haben Sie das Geständnis, ein Agent des imperialistischen Westens zu sein, unterschrieben?«
    Mit all dem Mut, der ihm noch verblieben war, widersprach Alexander: »Nein, Genosse Richter.«
    Keuchend starrte ihn der Richter an. »Genosse Schreiber, das Geständnis«, blaffte er, ohne den Blick von Alexander zu wenden.
    Der Schreiber suchte in den Unterlagen und reichte ein Blatt weiter.
    »Angeklagter, vortreten!«
    Zögernd ging Alexander zum Tisch. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, denn der Untergrund schwankte.
    »Ist das Ihre Unterschrift?«
    »Jawohl, Genosse Richter«, antwortete Alexander, nachdem die Buchstaben das Tanzen eingestellt hatten. »Kennen Sie diesen Text?«
    Alexander überflog die wenigen Zeilen. Immer wieder musste er neu beginnen, weil er in eine falsche geriet. »Nein, Genosse Richter.«
    Sich mühsam beherrschend, fragte der Richter: »Wie kommt dann Ihre Unterschrift hierher?« Unmissverständlich tippte er mit dem Finger auf die Stelle.
    Alexander schaute; den Staatsanwalt an, doch der betrachtete seine Armbanduhr. Auch er hatte noch zwei Fälle bis zur Frühstückspause.
    »Und dann diese Briefe aus dem imperialistischen Ausland.« Der Richter verteilte vier Umschläge vor sich auf dem Fisch. »An die Deutsche Botschaft gerichtet, selbstverständlich aus Gründen der Tarnung. Na, wenn das kein Beweis ist?«
    Erst nach und nach dämmerte Alexander, dass man Hellens Post abgefangen hatte. Aber wie konnten sie davon wissen, überlegte er, bis ihm wieder die Tonbandaufzeichnungen einfielen.
    Der Richter ließ sich auf seinen Stuhl fallen und verschnaufte einige Sekunden.

Weitere Kostenlose Bücher