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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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zündeten die Zigarren an. Schweigend bliesen sie den Rauch gegen die Decke. Zwei Cognacs in großen bauchigen Gläsern wurden vor sie gestellt. Alexander tat es Nikolai nach, roch zuerst an der Flüssigkeit, schwenkte den Inhalt und betrachtete ihn gegen das Licht. Schließlich nippte er an dem bernsteinfarbenen Alkohol.
    »Ich habe noch nie solche Augen gesehen wie deine«, sagte Nikolai mit ernster Stimme.
    »Graublau. Viele haben diese Farbe.«
    »Das ist es nicht. Ich meine den Ausdruck. Kirjan, was wollen mir deine Augen sagen?«
    »Sind sie nicht ein Spiegelbild der Seele«, entgegnete Alexander spöttisch.
    »Genau das gibt mir so zu denken.«
    »Und was für eine Seele habe ich?«
    »Gar keine. Deine Augen sind kalt, berechnend und sich ihrer Sache absolut sicher.«
    »Das ist doch immer so, wenn sie berechnend sind.«
    Nikolai schüttelte den Kopf. »Das meine ich nicht. Sie geben exakt wieder, was in deinem Kopf vorgeht. Du fühlst dich überlegen und schwebst über allem. Und du kennst deinen Zustand.«
    »Und der wäre?«
    »Mit dem Leben spielen.«
    Alexander beschäftigte sich mit seiner Zigarre, streifte die Asche ab und schwieg.
    »Aber das ist nichts Neues für dich. Hast du dir schon mal überlegt, dass du etwas Sinnvolleres anfangen könntest, als vor Puffern zu stehen?«
    Alexander berührte mit den Fingerspitzen die hinnen in der schlanken hohen Vase. »Wie zart die Blätter sind, und so zerbrechlich.« Übergangslos fügte er hinzu: »Für mich hat es einen Sinn.«
    »Weil du dich bestätigen willst?«
    »Nein.«
    »Weshalb denn?«
    Alexander seufzte. Zögernd studierte er Nikolais Gesicht. »Das geht dich nichts an.«
    »Richtig. Hätte man dich aber heute von dem Puffer abgekratzt, ich wäre um zehntausend Rubel ärmer.«
    »Und so hast da vierzigtausend dazubekommen. Verdienst du immer, wenn andere ihren Arsch hinhalten.«
    »Nein.« Nikolai registrierte Alexanders Unsicherheit, die er jedoch nie zugeben würde.
    »Weshalb denn?«
    Alexander drehte sich zur Seite und sei schaute aus dem Fenster. Niemand war um diese späte Stunde noch auf der Straße. Genau vor der Fangangstür stand Nikolais Wagen, ein schwedisches Modell. Wie kommt er an ein solches Auto? Fahren doch nur allerhöchste Politiker. Und dann auch noch mit Chauffeur. Der sitzt in einem Nebenraum und wärmt sich. Wieso kann sich Nikolai einen Chauffeur leisten?
    »Du bist auf der Flucht vor dir selbst.«
    »Glaube ich nicht.«
    »Sondern?«
    Alexander zuckte mit den Schultern.
    »Brauchst du den ständigen Beweis deiner Überlegenheit? Bist du auf das Geld angewiesen? Gefällt dir der Applaus der sensationslüsternen Masse, die, von Wodka und der eigenen Dummheit benebelt, im Endeleffekt doch nur Blut sehen will?«
    Alexander schüttelte den Kopf und stützte die Ellbogen auf den lisch. Lange betrachtete er seine Hände. Die linke streckte er aus, sie zitterte nicht. »Warum willst du das wissen? Gleich gehen wir auseinander und sehen uns nie wieder.«
    »Genau deshalb kannst du es mir verraten.« Mit ernster Stimme fügte Nikolai hinzu: »Mich interessiert deine Motivation. Lass´ mich für einen Augenblick in dein Innerstes schauen.«
    Nach einer Weile antwortete Alexander: »Ich tue es, um mich abzulenken, um die Ausweglosigkeit meiner Situation nicht ständig vor Augen geführt zu bekommen. Deshalb setze ich mein Leben ein.«
    »Warum hast du dich Lenin genannt?«
    Alexander grinste. »Ist es nicht ein prickelndes Gefühl, Lenin zwischen die Puffer zu bekommen?«
    Sie sprachen lange miteinander in dieser Nacht. Anschließend lud Nikolai Alexander zu einem Spaziergang ein, um ihm die Stadt zu zeigen. Von hier aus sei es nicht weit bis zum Zentrum. Das Hotel Sibir liege gleich um die Ecke und das Intourist nur zwei Minuten entfernt.
    »Kennst du eigentlich den Bahnhof?« fragte der Ältere. Hart knirschte der Schnee unter ihren Füßen.
    »Bin lediglich einmal nachts vorbeigekommen.«
    »Ach ja, ich vergaß. Allein die Nebenstrecken üben einen besonderen Reiz auf dich aus.« Nikolai schaute zu Boden. »Immer, wenn ich in Irkutsk bin, gehe ich zum Bahnhof. Abends, gegen 19 Uhr 30, wenn die Transsib einläuft. Ich wandere die sechzehn Wagen ab und schaue in den Zug. Gesichter will ich sehen, fremde Gesichter mit Augen, die mir verraten, was in den Menschen vorgeht. Meist ist der Zug voll besetzt.«
    »Selbstverständlich kannst du in den Köpfen der Reisenden lesen, wie du in meinem zu lesen glaubst.« Ein spöttisches Lächeln

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