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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Chance.
    Gleich anschließend die erste Begegnung: Frenchman kontra Gregori. Beide traten in die Mitte, verneigten sich und wurden mit Applaus bedacht. Umständlich legten sie ihre Umhänge ab und gingen, nur mit Hemd und Hose bekleidet, zu dem Waggon. Jeder stellte sich mit dem Rücken unmittelbar vor einem Puffer auf, und dann gab der Sprecher das Zeichen.
    Angestrahlt von zwei Scheinwerfern, bekamen die Zuschauer mit, wie auf einer kleinen Anhöhe ein zweiter Waggon ausgeklinkt wurde. Er gewann an Tempo und lief mit zunehmender Geschwindigkeit auf die beiden Männer zu. Zwischen den Puffern befanden sich die Körper. Keine Frage, wer gewinnen würde.
    Man sah Gregori und Frenchman die Spannung an. Sie starrten auf den sich nähernden Wagen, als könnten sie die Geschwindigkeit durch die Kraft ihrer Augen beeinflussen. Beide beugten sich nach vorn. Wollten sie dadurch den Aufprall mildern?
    Unter den Zuschauern ein anschwellendes Gemurmel und warnende Stimmen. Vor Aufregung wippten die Frauen auf ihren Plätzen, und die Männer vergaßen die Wodkaflasche.
    Noch fünfzig Meter. Der Waggon sauste ungebremst auf die beiden Wettkämpfer zu, und die standen wie erstarrt. Lediglich ihre Finger bewegten sich, als übten sie für die Klavierstunde. Jetzt ein schneller Blick von Frenchman zu seinem Konkurrenten. Noch zehn Meter, fünf, drei, zwei. Die Zuschauer schrien - und im allerletzten Augenblick sprangen die Männer zur Seite und ließen sich hinfallen. Die Waggons knallten aufeinander, die Puffer wurden zusammengestaucht, und der stehende Waggon mit einem berstenden Knall nach hinten geschoben, obwohl man ihn mit Bremsschuhen arretiert hatte. Eisen schrammte kreischend auf Eisen, Funken stoben. Das Kampfgericht erklärte Frenchman eindeutig mit drei zu null Stimmen zum Sieger. Gregori war damit überhaupt nicht einverstanden und fluchte auf die »Unfähigen« und »Bestochenen«.
    Und so ging das mit Unterbrechungen, in denen der Organisator unentwegt zum Witten animierte, bis Mitternacht weiter. Wieder und wieder zog eine Diesellokomotive den einen Waggon auf die kleine Rampe, wurde der andere in seine Ausgangsposition gebracht. Zum Schluss traten die beiden Übriggebliebenen an. Zuvor noch verkündete der Sprecher, dass sich die Verletzung von Zamba als nicht so schwerwiegend herausgestellt habe. Seinen Arm verliere er nicht, allerdings müsse man einen Teil des Muskels herausschneiden. Nur noch Matsch. Ha, ha. ha. Die Zuschauer applaudierten erleichtert, wahrend vor dreißig Minuten ihr Kreischen fast das Trommelfell des Nachharn zum Platzen gebracht hätte. Gerade noch in letzter Millisekunde war Zamba weg gesprungen, konnte seinen rechten Arm aber nicht mitbekommen. So etwas gehörte nun mal zum Berufsrisiko, jeder der Wettkämpfer sei sich der Gefahr bewusst. Sie konnten ja auch eine Menge Geld verdienen: an einem Abend das Jahresgehalt eines Arbeiters.
    Kyrill und Lenin stellten sich vor den Puffern auf. Sie schauten sich von der Seite an, um abzuschätzen, wie gut der andere war, wie lange er womöglich stehen bleiben würde
    »Junge, brauchst dich nicht anzustrengen. Ich habe bisher noch immer gewonnen In mehr als hundert Duellen«, tönte Kyrill, doch Lenin antwortete ihm nicht.
    Das Zeichen. Der Waggon schien einen Augenblick festgenagelt, dann setzte er sich allmählich in Bewegung, wurde schneller und schneller, die Räder quietschten. Eindeutig hatten Kyrill und Lenin bisher all ihre Begegnungen gewonnen, und die wirklich Besten trafen aufeinander, wie es sich gehörte. Viele Zuschauer sprangen auf, denn hier wurde ihnen etwas Sensationelles geboten. Gerade das Richtige für die langen und tristen Winterabende.
    Noch zehn Meter. Das Gejohle schwoll an. Einige schlenkerten mit den Händen als hätten sie sich die Finger verbrannt, andere drückten die zusammengeknüllten Fäustlinge in den Mund, um ja keinen Laut herauszulassen. Noch fünf, drei , zwei Meter, Lenin konnte die Nervenbelastung nicht aushalten und sprang viel zu früh weg. Kyrills Kopf ruckte zu ihm, ein siegessicheres Lächeln auf dem Gesicht, dann wurde sein Oberkörper zwischen den Puffern zerquetscht, er dämpfte das Aufprallgeräusch dabei kaum. Kyrill tropfte aus wie ein geköpftes Huhn, und der Schnee unter ihm färbte sich rot.
    »Scheiße«, fluchte der Sprecher. Weniger, weil Kyrill tot war, sondern wegen der verlorenen Wetten.
    Schnell breiteten einige Helfer eine Decke über Kyrill, der an einem Puffer klebte, damit die

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