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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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ausschließlich in der Firma Positron auf, die Elektronik herstellt.«
    »Und was sagen die Behörden dazu?«
    »Sie wissen natürlich von diesen Zuständen und Geschäften und ... dulden sie. Sie müssen sie dulden, denn ohne die Tolkatschi würde nichts laufen. Außerdem bedienen sie sich selbst dieser inzwischen quasilegalen Einrichtung. Sogar die Militärs sind auf Beschaffer angewiesen, zumindest, wenn es um die Versorgung der Truppe mit Nahrungsmitteln geht.«
    »Zahlst du auch gewisse Summen links, damit ein Fabrikdirektor dich bevorzugt beliefert?«
    Nikolai nickte anerkennend. »Du begreifst das Spiel. Ja, ich schmiere Direktoren, leitende Ingenieure und wichtige Politfunktionäre.«
    Alexander stand auf und stellte sich ans Fenster. Bisher war ihm der wusste, wie das System funktionierte, nicht viel Neues zu Ohren gekommen. »Du sprichst von deinen Leuten. Wie viele dieser Tolkatschi hast du?«
    »Mehr als zweitausend.«
    Der Jüngere fuhr herum. »Mehr als zweitausend?« Verwirrt sah er den Grauhaarigen an.
    »Und keiner außer mir kennt sie alle. Niemand weiß, wer was anzubieten hat und zu welchen Konditionen. Deshalb bin ich der
    mächtigste Mann in Mittelsibirien.« Mit einem verschmitzten Lächeln fügte Nikolai hinzu: »Glaube mir, es ist schon ein berauschendes Gefühl, denn die richtige, echte Macht spielt sich immer im Verborgenen ab.«
    Alexander, der selbst Waren organisiert und verschoben hatte, bombardierte Nikolai nun mit Fragen. Der Sibiriake schien sich über jede zu freuen, zeigte sie ihm doch, wie interessiert sein junger Zuhörer war. Ob er alles beschaffen könne, wollte Alexander wissen. Im Prinzip ja, aber von einigen Dingen halte er sich fern, besonders von Waffen und Drogen. Das sei nicht sein Metier.
    Und einen Zug? Auch das sei möglich, entgegnete Nikolai, wenn er etwas Zeit dafür habe. Waggonweise würde er ihn zusammenstellen, je nach Bedarf. Viele Züge mit Ladungen seien schon in Sibirien verschwunden, aber das falle nicht weiter auf, weil niemand die genaue Anzahl dir Wagen und Lokomotiven kenne. Nach dem Großen Vaterländischen Krieg habe die Siegermacht Sowjetunion aus Deutschland alles, was auf Schienen rollen konnte, von der europäischen Normalspur auf die russische Breitspur umgerüstet und in den fernen Osten verschickt. Man habe sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, auf der Kriegsbeute die deutschen Bezeichnungen durch russische zu ersetzen.
    Alexander, der sich an den Ausgangspunkt seiner Leiden versetzt sah und sich an die auf deutsch beschrifteten Gefangenenwaggons auf dem Kasaner Bahnhof erinnerte, gab zu bedenken, der Sibiriake bestehle trotz allem den Staat.
    Nikolai konterte und rief in Erinnerung, wie er, Alexander, den Staat behandele. Sogar Rauschgift aus Afghanistan habe er schon geschmuggelt.
    Alexander konnte nichts mehr überraschen. Er fand sich einfach damit ab, dass Nikolai alles über ihn wusste, und kam auf seinen Einwand zurück.
    »Inwiefern bestehle ich den Staat?«; wollte Nikolai wissen. »Wenn ich Waren und Güter, die nicht in Umlauf kommen, weil die potentiellen Abnehmer nichts davon wissen, weiter bis zu den Endverbrauchern bringe, dann tue ich doch für mein Land etwas Gutes. Ich verhindere einen Verlust und bügele die Fehlproduktion aus. Deshalb wird man auch keinen Tolkatsch vor Gericht stellen, im Gegenteil. Viele meiner Leute sind Helden der Sowjetunion. Alexander, mein Prinzip ist nicht, den Staat und seine Gesetze zu unterlaufen, sondern die ihm eigene Trägheit und Unzulänglichkeit zu umgehen und die Nischen auszunutzen.«
    Alexander ließ nicht locker. »Aber deine Tolkatschi verdienen doch etwas. Und du auch.«
    »In dem Augenblick, wo Ersatzteile oder Rohstoffe herumliegen und verrotten, verlieren alle. Das geht dann vom sogenannten Volkseinkommen ab. Außerdem ...«, Nikolai öffnete eine Aktentasche und schob einen Stapel Papiere über den Tisch, »außerdem arbeite ich mit der Obrigkeit zusammen. Hier, schau dir das mal an. Alles amtlich beglaubigte Aufträge von Kommissaren, Verwaltungen und Fabrikdirektoren, bestimmte Dinge zu beschaffen.«
    Alexander schien davon nicht beeindruckt zu sein. »Ganz konkret zu dem heutigen Geschäft: Sato hat fünftausend Transistorradios geliefert, viertausend Schminksets und zweitausend Autoreifen in den gängigen Größen. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass diese Dinge aus der sowjetischen Produktion stammen.«
    Nikolai rieb sich das Kinn, als wolle er Zeit gewinnen, und

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