Der König von Sibirien (German Edition)
erhielt dafür sechstausendfünfhundert Fläschchen Parfüm, geliefert auf dem üblichen Wege.
»Was ist der übliche Weg?« fragte er den Sibiriaken später.
»Mit einer Linienmaschine der Air France nach Moskau, als Tafelwasser getarnt.«
Alexander studierte das Geschäftsgebaren des Älteren, der ein Meister der Schauspielkunst war. Wollte sein Partner nicht auf die Forderung eingehen, tat Nikolai so, als hinge, sein Seelenheil ausgerechnet von diesem einen Handel ab. In der Regel schloss er den Vertrag zu seinen Bedingungen.
»Wann fahren wir zu dir nach Hause?«
Nikolai hatte schon oft und viel von seinem Wohnsitz am Oberlauf der Lena nahe der Stadt Kirensk gesprochen. Ein großzügiges Jagdhaus, das einem korrupten Politiker gehört habe.
»In zwei Wochen.«
»Und was gibt es bis dahin zu tun?«
Ohne zu antworten, legte Nikolai einige Fotos vor Alexander auf den Tisch. Der besah sie sich und fragte nach etlichen Sekunden: »Wie bist du an sie gekommen?«
»Einer meiner Männer hat sie gemacht.«
»Wolltest du mir nachspionieren?«
»Nein. Dich warnen, falls der KGB aufgetaucht wäre.«
Erneut betrachtete Alexander die Bilder. Sie zeigten ihn in Omsk beim Beobachten des Wohnblocks, in dem seine Mutter lange gelebt hatte.
»Wieso war der Geheimdienst nicht da?«
»Einige Monate vorher, im April und Mai, kurz nachdem du über die Schlucht geschwebt bist, haben sie auf dich gewartet.« »Du hast länger ausgehalten, nicht?«
Nikolai schmunzelte auf die für ihn typische Art. »Ich hätte mich genauso verhalten wie du. Deshalb war einer meiner Mitarbeiter auch noch im Sommer dort.«
»Und später? Hat er mich weiter beobachtet?«
»Weil keine Gefahr mehr für dich bestand, hat er seinen Posten aufgegeben.«
In Alexanders Gesicht arbeitete es.
Zögernd schaute er den Sibiriaken an. »Seit wann lässt du mich überwachen?«
»Alexander, nimm bitte nicht dieses schreckliche Wort in den Mund. Verwechsle mich nicht mit dem KGB.«
»Seit wann werde ich von dir beschützt?«
»Seit ich vom Chef der Station 22 weiß, wer du in Wirklichkeit bist. In deiner Akte steht alles.«
Nikolai stand auf und öffnete einen Schrank. Mit einer Mappe aus Leder kam er zurück.
Lange studierte Alexander seine Vergangenheit aus der Sicht des Staatsapparates. In den Jahren hatte sich eine ganze Menge angesammelt.
Er konnte nachlesen, dass man ihn nicht mehr länger beschuldigte, Natschalnik Pagodin umgebracht zu haben. Zwei der Ausgebrochenen hatten während des Verhörs zugegeben, die Täter zu sein. Alexander und Klimkow wurden sogar durch die Sträflinge entlastet, weil nicht geplant gewesen sei, sie fliehen zu lassen. Das habe sich so ergeben, als sie die Gunst der Stunde nutzten. Dafür unterstellte man ihm, er habe gemeinsam mit dem Letten Markus Nadeike Schiebereien im großen Stil begangen und später in Ust-Port junge Soldaten dazu verleitet, militärische Gegenstände zu organisieren. Alexander schloss daraus, dass zumindest ein Teil des Schwarzhandels aufgeflogen war.
Seine Spur verlor sich für den KGB nach seiner Flucht und dem Tod der fünf Soldaten durch Ertrinken. Wieder auf ihn aufmerksam wurde man zwei Jahre später wegen der Beschuldigung des Dolmetschers und durch den Brief, den man bei dem Österreicher Lientscher entdeckt hatte. Allerdings wurden mit keinem Wort die vier Briefe erwähnt, die Hellen vor vielen Jahren via deutsche Botschaft an ihn geschrieben hatte. Briefe, von deren Inhalt er nichts wusste, die aber damals dem Richter als zusätzlicher Beweis für seine Agententätigkeit genügt hatten.
Und dann zuckte Alexander zusammen. »Nikolai, die wissen also, dass ich Wolgadeutscher bin?«
»Selbstverständlich. Meinst du, die Tusanskaja, die ehemalige Freundin deiner Mutter, hätte dichtgehalten? Sie ist seit mehr als zwanzig Jahren der Blockspitzel für die Miliz. Du hattest gerade ihre Wohnung verlassen, da tauchte die Polizei auf. Aber sie hat dich gottlob nicht in Omsk aufgespürt, obwohl man auch den Bahnhof überwachte.«
»Und wieso nicht«<
Nikolai kratzte sich am Hinterkopf. »Nun, äh einer meiner Mitarbeiter hat dich zufällig noch am gleichen Tag in einen Zug Richtung Westen einsteigen sehen.«
»Fahndet die Miliz auch unter meinem falschen Namen Kirjan Morosow nach mir?«
»Natürlich. In Moskau weiß man alles über dich.«
»Dann habe ich es also deinem Mitarbeiter zu verdanken, dass man mich nicht im Hotel aufgespürt hat.«
»Du meinst, wegen des obligatorischen
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