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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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beiden I landen erneut unter.
    »Bitte, lasst mich raus, mir ist kalt«, bettelte Jakub, als er wieder an die Oberfläche kam.
    »Ich will wissen, warum. Dann kannst du rauskommen.«
    Aber Jakub schwieg und wurde getaucht. Noch zweimal. Dann gab er zu, Gogol habe ihm Geld geboten, viel Geld. Und er, Jakub, habe Schulden, weil er bei Gogol gespielt und sein ganzes Vermögen verloren habe.
    »Jakub, du hast uns verraten.«
    »Nein. Nikolai, ich möchte raus. Bitte.« Jakub flehte, er war kaum noch zu verstehen. Sein Gesicht war blau angelaufen, und in den Augen stand nur noch Angst, panische Angst.
    »Vier Männer sind umgekommen, meine Tochter ist entführt worden. Alles dein Werk, Jakub.«
    »Ich mache es wieder gut«, versprach Jakub in weinerlichem Ton und biss sich beim Sprechen auf die Zunge »Meine Beine, ich spüre sie nicht mehr.«
    »Wie willst du es gutmachen?«
    »Ich tue alles, was du willst.«
    »Alles?«
    Jakub konnte nur noch nicken. Seine Finger waren weißblau und krallenartig gebogen, die Nägel zeichneten sich als dunklere Fläche ab. Verzweifelt hielt er sich am Eisrand fest.
    Als der zweite Jakute näher trat, weiteten sich Jakubs Augen. Nun wusste er, was das alles zu bedeuten hatte. Er bewegte den Unterkiefer, kein Ton kam mehr aus seinem Mund, Eiskristalle bildeten sich bereits auf den Lippen. Starr richtete er die Augen auf die Männer. Noch ein schwaches Aufbäumen, als versuchte er, sich aus dem Eisgefängnis zu befreien, aber dazu fehlte ihm die Kraft.
    Die Männer wandten sich ab und ließen ihn im Tod allein. Eine größere Verachtung gab es nicht.
    Als Alexander endlich aus der Sauna durfte und hinausstürmte, wies ihm der Helfer ein neues Loch zu. In der Dunkelheit konnte er nicht sehen, was sich nur zwanzig Meter von ihm entfernt abgespielt hatte. Wieder im Ruheraum, fiel Alexander erst eine halbe Stunde später auf, dass eine Person fehlte. Er suchte Nikolais Blick, und der gab ihm zu verstehen, er möge sich etwas anziehen und mit nach draußen kommen.
    Alexander fühlte eine ähnliche Klammer um seine Brust wie vorhin beim Eintauchen ins Wasser. Im Schein der Fackel erkannte er Jakubs eingefrorenen Kopf samt Schulter, sein erstarrtes Gesicht mit dem aufgerissenen Mund und den geweiteten Augen. Wie zwei Eiszapfen ragten die Unterarme in die Höhe, die Hände abgeknickt und mit bizarr geformten Fingern, die sich in das Eis gedrückt hatten. Verstört schaute er Nikolai an.
    »Er war der Verräter.«
    »Und ihr habt ihn ... während man mich in der Sauna festhielt.« »Ihm fehlte die Kraft, aus dem Loch heraus zu steigen. Seine Schuld wog zu schwer.«
    »Wer sagt das?«
    »Die Jakuten.«
    »Seine Schuld wog zu schwer?«
    »Oder sein Leben war ihm nichts mehr wert im Anblick der vier Toten, die auf seine Kosten gehen.«
    Nikolai drückte dem Jüngeren die Fackel in die Hand und wandte sich ab.
    Alexander blieb stehen und saugte das Bild in sich auf, als wollte er Natur und Menschen verstehen. »Seine Schuld wog zu schwer«, murmelte er vor sich hin.

    Es war soweit. Immer drängender wurde Alexanders Verhalten, und Nikolai spürte die Signale. Er bat den Jüngeren hoch in sein Wohnzimmer.
    »Du willst wissen, wer ich bin, und du hast inzwischen ein Recht, es zu erfahren. Uns verbindet mehr, als du denkst.«
    Vor ihnen auf dem fisch lagen vergilbte Fotos. Alexander ahnte, dass es sich bei den Kindern um Nikolai und seine Geschwister handelte, und die Erwachsenen könnten seine Eltern sein.
    »Wenn das Leben eine Kette von Prüfungen ist, wie es einmal ein Philosoph formuliert hat, dann frage ich mich, warum die einen so hart darunter zu leiden haben, während andere ungeschoren davonkommen.«
    »Kommen nicht meist diejenigen mit einem blauen Auge davon, die die Macht und die Möglichkeit haben, anderen ihre Prüfungen aufzuzwingen?«
    »Ja, da ist was dran.« Nikolai schob ein Foto vor Alexander und deutete auf einen der Jungen. »Igor, mein Bruder, ist von einem Zaun aufgespießt worden. Das war 1917. Und Sergej wurde in einem Konzentrationslager erschossen. Er war gerade fünfzehn. Aber am besten beginne ich von vorn.«
    Nikolais Augen schweiften im großen Raum umher, als seien sie auf der Suche. Er atmete tief durch, streckte sich, und dann begann er zu erzählen.
    »Meine Familie wohnte in der Ukraine unweit von Tscherkassy, ziemlich genau in der Mitte zwischen Kiew und Dnjepropetrowsk. Ich hatte noch zwei Brüder, einer jünger und der andere älter. Mein Vater war Kleinbauer und

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