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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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den fehlenden Zehen, seine rechte Hand, die beinahe der Kälte zum Opfer gefallen wäre. Weiter lief Alexander, ohne auf der Suche zu sein. Die Natur genießen wollte er, sich die schönen Bilder einverleiben. Mehr und mehr tauchte er dabei in seine Vergangenheit. Je unangenehmer sie war, desto schneller wechselten die Bilder. Lange verharrte er schließlich bei Hellen. Dinge, die er längst vergessen zu haben glaubte, fielen ihm wieder ein. Ihre Haare mit den kleinen Kringeln hinter dem Ohr, der Geruch ihrer Haut, die lackierten Fingernägel, das Muttermal neben dem Bauchnabel. Alexander schwebte davon, um mit seiner Mutter am Tisch zu sitzen. Sie aßen zu Mittag. Es gab in der Pfanne geröstetes Weißbrot, mit Eiern überbacken. Dazu trank er gekühlten Tee mit Eisstückchen, die sich seine Mutter im Sommer, da sie keinen Kühlschrank besaßen, im Fischgeschäft besorgte.
    Und aus der Vergangenheit kehrte er Jahr für Jahr in die Gegenwart zurück, und zwar als Vogel, der durch die Luft segelte. Alexander konnte sich beobachten: Im Gefangenentransport auf dem Weg nach Osten zum Lager Perm 35, auf der Flucht, die Überquerung des Jenissei und später der lange Weg im Norden, als er allein mit seinen Gedanken auf Ski durch die Schneewüste stapfte und einen Schlitten hinter sich her zog. Pagodin tauchte auf, dann sah er Rassul und Klimkow. Seine Reise endete mit Larissa, sie hielten sich umklammert. Als Alexander die Augen öffnete, war es wieder hell. Neben ihm Tag Nikolai, der ihn erwartungsvoll anschaute.
    »Und wie war es?«
    »Ich sah mich auf all meinen Lebensstationen. Seltsam, aber ich habe schon einmal etwas Ähnliches erlebt.
    »Wie, kennst du das Kraut etwa?«
    Alexander, der sich entspannt und wohlig fühlte, verneinte. »Auf meiner Flucht war es, nach vielen Wochen des Alleinseins. Ich bin irgendwie aus mir herausgetreten und habe die Welt von oben gesehen.«
    »Du hattest dich aufgegeben und mit dem Leben abgeschlossen.«
    »Möglich, aber so genau weiß ich das nicht mehr.« Nach einer Weile fragte Nikolai: »Womit hat vorhin dein Traum geendet?«
    »Mit deiner Tochter Larissa.« Nikolai lächelte. »Das gefällt mir.« »Und deiner?«
    Nikolai schwieg und schaute hinaus. »Möchtest du nicht darüber reden?«
    Ohne auf die Frage einzugehen, wollte der Sibiriake wissen: »Magst du meine Tochter?«
    »Ja.«
    »So wie die Deutsche?«
    »Es ist eine andere Art von Gefühl.«
    »Du findest Larissa doch nicht aus dem Grund gut, um mir ...«
    »Nein. Vielleicht belüge ich andere, aber nicht mich selbst.«
    Und dann wollte Alexander wissen, warum Nikolai ihm diesen Trank zubereitet habe.
    »Wie gesagt, es heißt Kraut der Bruderschaft, und es ist ein besonderes Kraut. Die Lamuten genießen es, falls es ihnen ihr Schamane erlaubt, nur ein oder höchstens zweimal im Leben mit jemandem, den sie zu ihrem Bruder haben möchten. Damit wollen sie bekunden, welch feste Bande zwischen ihnen bestehen, Bande der Zuneigung und des Vertrauens - über den Tod hinaus.«
    »Wie oft hast du bisher das Kraut zu dir genommen?«
    »Nur mit Minsk.«

    Nikolai, der noch vor einem halben Jahr vor Agilität strotzte, ging es immer schlechter. Oft war er müde, sein Gang wirkte schleppend, und die Wangen waren eingefallen. Nur noch einen Termin nahm er persönlich und ohne Alexander wahr. Dazu flog er nach Moskau, wo er anlässlich der Universiade, der Weltspiele der Studenten, zwei Geschäftspartner treffen wollte. Außer, dass es Deutsche seien, ließ er sich nichts entlocken.
    Wenige Tage später kam er wieder zurück und verlor kein Wort über die Reise. In eine Decke gehüllt, saß er jeden Tag vor seinem Haus in der Sonne. Manchmal, wenn er sich unbeobachtet glaubte, lächelte er still vor sich hin.

    Die zehn Stellvertreter reisten an und wurden im Gästehaus untergebracht. Am nächsten Tag fand im Erdgeschoß von Nikolais Haus die Versammlung statt, zu der auch Gogol, sein Sohn und einige Vertraute von ihm gekommen waren. Vier Jakuten wohnten als Abordnung des Volksstammes dem Geschehen bei.
    Nikolai erklärte den Wahlmodus. Zwei Bewerber gebe es, Gogols Sohn Jewgenij und Robert Koenen. Gewählt sei derjenige, der mindestens sieben der zehn Stimmen auf sich vereine.
    Gogol übernahm es, eine Art Wahlkampfrede für seinen Sohn zu halten. Er lobte die körperlichen und geistigen Vorzüge, pries den Kampfes-und Einsatzwillen und die Beziehungen zu Staatsbetrieben und Politikern, was sich sehr positiv auf den Bund auswirken

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