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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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deutlich.«
    »Aber wenn ich beides verbinden kann, Gefühl und Vater, warum sollte ich es nicht?«
    Sie küsste seinen Nacken, Alexander genoss es und war über sich erstaunt. Der innere Druck, seit Jahren sein Begleiter und zum Bestandteil seiner selbst geworden, löste sich allmählich. Mit ihm geschah etwas, was er seit vielen Jahren als unwiederholbar angesehen hatte. Alexander fühlte mehr als nur Zuneigung, und Larissa spürte das.
    »Sie muss eine wunderbare Frau gewesen sein.«
    »Das war sie.« Als müsse er sich rechtfertigen, fügte er hinzu: »Ich glaube nicht, dass ich sie glorifiziere und mir, wegen der schlimmen Jahre, die ich durchgestanden habe, etwas einrede.«
    »In der Not beten Katholiken doch zu Gott. Wie war es bei dir?«
    »Gott wird zum Anker für diejenigen, die sonst keine Vorstellung, keinen Leitfaden für das Leben haben. Deshalb hat die Religion in schlimmen Zeiten auch Hochkonjunktur.«
    »Was ist daran falsch?«
    Er hob die Schultern.
    »Ging es dir ebenso?«
    »Nein. Ich habe., von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht zu ihm gebetet, denn Hellen war für mich greifbar, eine wirklich gewordene Vision, aus der ich eine gute Portion Kraft schöpfen konnte. Gemeinsam mit ihr flüchtete ich anfangs jede Nacht aus dem Lager in meine, in unsere heile Traumwelt. Obwohl ich mir etwas vormachte, ging es mir für kurze Zeit besser, denn ich hatte das Gefühl, als könnte ich aus meinem geschundenen Körper heraustreten. Aber irgendwann war ich wegen der Umstände nicht mehr in der Lage, mich an sie zu erinnern, die Schrecken der Realität ließen alles verblassen. Das war schlimm, und ich dachte zu dem Zeitpunkt, ich müsste sterben.«
    »Trotzdem hat sie dir geholfen.«
    Er nickte und schien für einen Augenblick mit den Gedanken abwesend zu sein.
    »Ich will sie dir nicht wegnehmen. Behalte deine große Liebe, sie wird wie ein Bild für dich sein, das du immer dann anschauen kannst, wenn du es möchtest. Aber versperre dich bitte nicht vor anderen Bildern, versperre dich nicht vor mir.«

    In den kommenden Nächten kam Larissa wieder und wieder zu ihm. Einmal nahm sie Alexanders Kopf in beide Hände und schaute ihn sehr lange an. Sie wolle in seinem Gesicht lesen, antwortete sie auf seine Frage. Gesichter seien wie Bücher.
    »Und was liest du in meinem?«
    »Nur schöne Dinge, wenn du fröhlich bist und ich deine Augen verdecke. Dann wirkst du weich und zufrieden, und das Grübchen in deinem Kinn macht dich sogar irgendwie schelmisch.«
    »Was ist mit meinen Augen?« Alexander erinnerte sich, dass auch Nikolai sich mit: ihnen beschäftigt hatte.
    »Sie irritieren mich.«
    »Wieso?«
    Larissa zögerte, als wäge sie ihre Antwort ab. »Es kommt mir vor, als führten sie ein Eigenleben, als reagierten sie nur auf dein zweites Ich, sozusagen als Spiegel einer geheimen, im Verborgenen blühenden, separaten Gefühlswelt. Sie lächeln nicht mit.«
    »Ist es denn nicht schon besser geworden?«
    Larissa drehte seinen Kopf ins Licht. »Warum kämmst du die Haare so streng nach hinten? Dadurch wirkst du noch schmaler.«
    »Ist es denn nicht schon besser geworden?« wiederholte er.
    »Etwas schon. Auch ein riesiger Eisblock schmilzt irgendwann unter der Sonne.«
    Nikolai blieb nicht verborgen, was sich zwischen den beiden abspielte, aber er sprach sie nicht darauf an. Alexander, der sich beobachtet fühlte, scheute sich in seinem Beisein, sich unbefangen mit Larissa zu unterhalten. Fasste sie seine Hand, zog er sie zurück. Nikolai schmunzelte, wenn er es sah. Er kannte seine Tochter.
    Gemeinsam mit Larissa nahm Alexander eine Verpflichtung wahr. Urgan Besmertisch, die wichtigste politische Person in Mittelsibirien, lud Nikolai und Alexander ein. Nikolai sagte ab, er fühlte sich nicht gut. Man sah es ihm an, denn trotz der Julisonne war sein Gesicht blass.
    Unweit des Bratsker Staudammes im Stadtteil Energetik hatte Besmertisch im modernen Hotel Tourist einen großen Saal gemietet. Jedes Jahr, erklärte ihm Larissa, gebe er einen Empfang oder wie immer man es nennen mochte. Dann werfe er sich in die Uniform eines Obersten, denn er sei lange beim Militär gewesen, behänge sich mit allen echten und unechten Orden und zeige jedem, was für eine angesehene und wichtige Persönlichkeit er doch sei.
    Da sich der übergewichtige Besmertisch für sehr wichtig hielt, fiel auch der Rahmen entsprechend pompös aus. Der riesige Ballsaal war mit Blumen geschmückt, viele hatte man aus dem Ausland einfliegen müssen,

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