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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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wissen: Geriaks Vater ist ein alter Seman, ein Schamane. Er lebt nördlich von Jakutsk in einem Dorf. Wenn die Ärzte in der Stadt nicht mehr weiter wissen, dann schicken sie ihre Patienten zu ihm. Du wirst es nicht glauben, aber der Greis heilt sie. Viele der Jakuten meinen nun, dass der Zauber vom Vater bei dessen Tod auf den Sohn übergeht. Deshalb ist Geriak bereits heute schon so etwas wie ein moderner Schamane auf Abruf.«
    »Du bist überzeugt, dass Gogol ihn beeinflusst hat?«
    »Die einzige Möglichkeit, die ich mir denken kann. Bisher hatte ich zu Geriak immer ein sehr gutes Verhältnis. So verbohrt wie heute habe ich ihn noch nie gesehen.«
    Alexander ließ nicht locker. »Was also müsste ich tun, wenn ich mich den Regeln füge?«
    Nikolai wollte wieder darauf hinaus, sich nicht auf die Forderung der Jakuten einzulassen und diesen heidnischen Zirkus, an den niemand mehr glaube, mitzumachen. Auf Alexanders Drängeln erklärte er ihm den Modus.
    Larissa, die sich bisher nicht geäußert hatte, sprang auf und warf sich Alexander an die Brust. »Bitte, tue es nicht!«

    Sie saßen um einen großen runden Platz. Mehr als tausend - unter ihnen nur wenige Frauen - waren es, die sich an der Kultstätte nicht weit entfernt von der Stadt Wanawara in einem Meteorkrater versammelt hatten. Nach außen hin stieg das Gelände an, die hinteren Reihen waren erhöht angeordnet, so dass jeder einen guten Blick auf das Geschehen hatte.
    Trotz der vielen Menschen herrschte eine geradezu weihevolle Stille. Hinter den letzten Zuschauern brannte ein Ring aus kleinen Feuern, um die bösen Geister zu bannen und die guten gnädig zu stimmen.
    Nikolai hockte ganz vorn, er war aufgeregt. Man hatte ihm die Teilnahme gestattet. Jeder Nichtjakute hatte um Erlaubnis fragen müssen, immerhin handelte es sich um einen heiligen Ort.
    Alexander stand wenige Meter entfernt und etwas abseits von ihm Gogols Sohn Jewgenij. Groß und wuchtig sah er aus, er strotzte vor Selbstvertrauen und verhielt sich ganz so als stünde der Sieger schon fest.
    Ein Mann blies in ein seltsames Instrument und entlockte ihm einen dumpfen Ton. Kurz darauf hüpfte ein Schamane in die Mitte des Kraters und schlug rhythmisch auf eine flache, kreisförmige Trommel. Schneller und schneller wurde er, schlenkerte mit dem Kopf und verdrehte die Augen, und auf seiner Brust tanzten die Bärenzähne seiner Halskette. In eines der vielen Feuer schleuderte er ein Pulver, die Flamme färbte sich violett Die Zuschauer reagierten mit einem anerkennenden »Ah«, der Priester sank ermattet zu Boden, die schädliche Wirkung der bösen Geister war für heute neutralisiert.
    Zwei Jakuten kamen zu Alexander, den die Situation unwillkürlich an den zweifelhaften Wettkampf, wer als letzter vor den Puffern des herannahenden Waggons weg sprang, erinnerte. Zwei andere gaben Gogols Sohn Jewgenij zu verstehen, er möge näher treten. Dann musste jeder von ihnen in eine mit einem bunten Tuch bedeckte Holzschüssel greifen. Alexander zog einen Wolfszahn. Darüber war Jewgenij froh, denn er hatte den Bärenzahn, und sein Kampf war angesehener.
    Das Ritual begann. Zuerst durfte Alexander, assistiert von dem Schamanen, einer dicken Pelzmantel anziehen und einen Handschuh, dazu eine Hose aus Leder und Pelzstiefel. Auf den Kopf kam eine Mütze, die unter dem Kinn zusammengebunden wurde. Zwei Jakuten in Nationaltracht nahmen Alexander in die Mitte und führten ihn über den Platz zu einem Gehege aus Holzstäben, in dem mit gesenktem Kopf ein ausgewachsener Wolf seine Kreise zog. Wie es die Regeln diktierten, hatte das Tier einige Tage nichts zu fressen bekommen. Außerdem war es in der letzten halben Stunde von Männern mit langen Stangen gereizt worden.
    Wütend bleckte der Wolf die Zähne, als Alexander in das Gehege trat. Aus dem Stand sprang er los, und das Gewicht des Tieres hätte Alexander beinahe umgerissen. Sofort verbiss es sich in seinen dichten Pelz, der Alexander vor den messerscharfen Zähnen schützte.
    Aus diesem Grund trug er auch den Handschuh und die Mütze. Aber Gesicht, Hals und linke Hand waren unbedeckt. Alexanders Aufgabe war es, ohne Waffen mit dem Wolf zu kämpfen, bis er aufgab oder tot war. Als Zugeständnis an die Zivilisation hatten sich Männer mit Gewehren um das Gehege postiert, die, sollte Alexander in Lebensgefahr geraten, den Wolf erschießen sollten. Alexander wehrte den ersten Angriff ab und trat dem Wolf mit dem Fuß voll von unten gegen die Brust. Der jaulte kurz

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