Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
Vom Netzwerk:
die Tische waren festlich gedeckt, Kellner schwirrten umher und boten Getränke an.
    Zu Beginn wurden Vorspeise und Suppe serviert und im Sitzen eingenommen, anschließend ein kaltes Büfett eröffnet. Tische und Stühle räumte man weg, eine Band spielte zum Tanz auf. Aber zuerst intonierte sie einige der bekannten Märsche, voller Dynamik und Revolution.
    Wenig später machte Besmertisch die Runde. Jeden Gast begrüßte er persönlich, bei Larissa und Alexander blieb er besonders lange stehen.
    »Ich habe gehört, Nikolai geht es nicht gut?« Besmertisch gab sich besorgt, aber seine Augen, kleine leblose Glaskugeln, die ständig umherirrten, zeigten kein Mitgefühl.
    »Er ist auf dem Weg der Besserung«, log Larissa.
    »Meine besten Wünsche an ihn. Und Sie«, er wandte sich an Alexander, »Sie sollen sein Nachfolger werden?«
    »Fehlt es mir an Kompetenz?«
    Besmertisch legte den Kopf schief, sein rundes Gesicht hatte eine gesunde Farbe. Außerdem hatte er sich in ein Korsett gezwängt, um eine einigermaßen passable Figur abzugeben. Trotzdem schnitt das Koppel noch in den olivfarbenen Stoff seiner Uniform. »Nach allem, was ich gehört habe, kann man das nicht sagen. Im September ist die Entscheidung?«
    »Das wissen Sie doch.«
    Besmertisch runzelte unwillig die Stirn. Alexanders Art zu sprechen missfiel ihm.
    Nikolai hatte ihn mehrfach davor gewarnt, sich Besmertisch zum Feind zu machen. Alexander bemühte sich zwar, seinen Widerwillen gegenüber diesem aufgedunsenen Funktionär zu verbergen, aber es gelang ihm nicht. Dass er sich auf unsicherem Terrain bewegte, war ihm bewusst. Jedoch verbindlich bleiben und Dinge sagen, die er nicht sagen wollte, dazu konnte er sich nicht durchringen. Wenn ich Pagodin geschafft habe, dann schaffe ich auch dich, grollte Alexander innerlich und bat insgeheim Pagodin um Verzeihung. Der Kommandant des Lagers SIB 12 war wenigstens in seiner Ungerechtigkeit konsequent und gradlinig geblieben.
    »Auf Ihr Wohl.«
    Besmertisch reichte ihnen zwei Gläser mit Champagner. Sie stießen an, Besmertischs Blicke waren eine Kriegserklärung. Alexander wusste, er hatte von nun an einen ganz speziellen Feind.
    Larissa warnte ihn wie ihr Vater vor dem Funktionär, der zwar menschlich ein Schwein sei, sich aber auf die Partei und den ganzen Apparat stützen könne.
    »Gegen Vater kam er nicht an, aber bei dir wird er es immer wieder versuchen. Außerdem steht Besmertisch auf Gogols Seite.«
    Der hochgewachsene, imposante Gogol mit seiner grauen Löwenmähne war auch anwesend. Neben ihm stand sein Sohn Jewgenij, der noch einige Zentimeter größer als sein Vater und etwa in Alexanders Alter war. Gogol begrüßte sie und stellte seinen Sohn vor. Er war augenscheinlich stolz auf ihn.
    »Sie wollen Sprecher des Bundes werden?«
    So, wie Gogol fragte, war das Vorhaben eine Anmaßung von Alexander, wo es doch seinen Sohn gab.
    »Nikolai hält mich für fähig.«
    »Aber nur, weil er meinen Sohn nicht mag.«
    Der stand ruhig daneben, sagte kein Wort und schaute abwechselnd Larissa und Alexander an.
    Nach einigen Belanglosigkeiten, die man noch austauschte, weil andere Gäste sie beobachteten, verabschiedete sich Gogol. Ein General wartete auf ihn, derselbe wie auf Nikolais Neujahrsfest.
    »Das hier«, Larissa umschrieb mit einer abfälligen Handbewegung den großen Saal und meinte die Anwesenden, »ist die neue Schicht in unserem Lande: Schmarotzer, Ausbeuter und Intelligenzler. Jeder ist, auf seine Art, nur auf den eigenen Vorteil aus. Sie benutzen sich gegenseitig, um etwas zu erreichen. Schon am nächsten Tag intrigieren sie in anderer Konstellation, ganz wie es die Umstände oder ihre Absichten erfordern. Für sie existiert keine gesellschaftliche Norm, sie bewegen sich außerhalb von ihr und gefallen sich darin. Im Gegensatz zu dem Reichtum meines Vaters - nicht, dass ich Nikolai verteidigen möchte - wächst ihrer nur auf Kosten der Allgemeinheit. Einmal dazugehörend, nutzen sie all ihre Privilegien schamlos aus und lassen sich für jeden noch so kleinen Dienst bezahlen. Korruption nennt man das überall auf der Welt.«
    Aus Alexanders Sicht taten die Schmarotzer und Intelligenzler genau das, was auch er sich vorgenommen hatte: den Staat schädigen. »Larissa, das ist doch kein typisch sowjetisches Phänomen, in anderen Ländern ist es ebenso. Die Ellbogen einzusetzen, Beziehungen spielen zu lassen, um auf der Karriereleiter nach oben zu klettern, ist zum Sport geworden. Weil die Anzahl der

Weitere Kostenlose Bücher