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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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herumlungerten, rauchten und tranken und palaverten. Motoren standen still, die Maschinenhalle war überfüllt mit Geräten, dabei müsste die Zuckerrübenernte voll im Gang sein. In einem Stall brüllten Kühe und verlangten, gemolken zu werden. Erschreckend für Alexander war das augenscheinliche Desinteresse der Angestellten - immerhin lebten auf der weitläufigen Sowchose mehr als zehntausend Menschen - und deren Fatalismus, als ginge sie das alles nichts an, als schiene sie die Zukunft nicht zu interessieren. Auch im Verwaltungsgebäude saßen Männer, rauchten, redeten und taten sonst nichts. Die größte der vier Kantinen war gut besucht, aber es war keine Essenszeit.
    Als Alexander über den weitläufigen Platz schritt, entdeckte er zu seiner Erleichterung in der Schlachterei doch noch einige bei der Arbeit, und draußen auf dem Feld tuckerten sogar Traktoren. Alexander betrat ein Geschäft und besah sich die Auslagen. Es gab wenig, wofür es lohnte zu arbeiten. Veraltete Radios, ein ganzes Regal voller Puppen, immer die gleiche und dazu auch noch jede mit zwei unterschiedlichen Augenfarben, und eine Wand voller Ansichtskarten: Strahlende Arbeiter auf ihren Mähdreschern im Ernteeinsatz.
    Wieder draußen, wurde er angesprochen. »Sind Sie der Fleischeinkäufer?«
    Alexander betrachtete den Mann im verschwitzten Anzug, der sich als Gubitzki vorstellte. »Kann schon sein.«
    »Aha, einer der ganz Vorsichtigen. Kommen Sie mit, wir gehen ein Stück. Und wie heißen Sie?«
    Abgesegnet durch Kosyrew und dessen Zusage gab Alexander an, sein Name sei Gautulin.
    »Wie viel wollen Sie denn?«
    »Was können Sie anbieten?«
    »Zweitausend Schweine und vierhundert Rinder. Sofort.«
    Alexander kombinierte, dass Gubitzki auf einen Schwarzaufkäufer wartete. Ihn interessierte die weitere Entwicklung des Gesprächs. »Das würde genügen. Inwiefern kann ich mich auf Sie verlassen?«
    Gubitzki lachte und plauderte freimütig von den Tricks, wie sie den Staat mit doppelter Buchführung und Bestechung der Schätzer austricksten. Das müssten sie, weil sonst der Maschinenpark total ruhig stehen würde, wegen der fehlenden Ersatzteile. Und die kosteten nun mal Geld. Alexander bemerkte skeptisch, die Ausführungen seien schwer zu glauben. Ungenutzter könne ein Maschinenpark doch nicht vor sich hin dümpeln als der auf der Sowchose.
    »Letztes Jahr haben wir neuntausend Schweine links verkauft.« Gubitzki war stolz auf den Coup
    »Von fünfhundert oder tausend habe ich gehört. Aber neuntausend? Wie haben Sie das denn angestellt?«
    Gubitzki fühlte sich in seiner Ehre gekitzelt und wurde vertraulich. »Nun, einige der Tiere mussten wir opfern. Mit Wasser, Stärke und saurem Klee gefüttert, sind die Viecher aufgedunsen und krepiert. Etwa zweihundert. Dann haben wir den Veterinär kommen lassen, der uns eine Seuche attestiert hat. Zufällig waren wir gerade dabei, mit einem Bulldozer eine Grube zuzuschütten. Fünfhundert Tiere hätten wir dort schon verbuddelt, sagten wir dem Veterinär. Ob er sie noch mal sehen wolle. Natürlich hatte der kein Interesse daran, denn die anderen zweihundert stanken wie die Pest. Und die übrigen Gruben brauchten wir auch nicht zu öffnen.«
    »Und da waren insgesamt neuntausend ...«
    Gubitzki grinste unverschämt. »Natürlich nicht. Das wäre doch aufgefallen. Knapp dreitausend Einheiten Verlust gaben wir an, etwa ein fünftel unseres Bestandes. Ein Fünftel ist immer gut, das glaubt man noch.«
    »Und der Rest?«
    Gubitzki blickte sich um. Weit und breit war niemand zu sehen. »Wir sind ja nicht blöde.« Er tippte sich gegen die Stirn. »Eine Seuche nur bei uns, das wäre aufgefallen. Also haben wir die zweihundert Tiere auf Lkw verladen und zu den umliegenden Sowchosen gekarrt. Inzwischen war der Veterinär mit Wodka abgefüllt. Und als er am nächsten Tag auf Sowchose 17 ankam, da stank es noch erbärmlicher. Wieder einen 'Tag später auf der Sowchose 8, da krochen schon die Maden aus den Viechern heraus.«
    »Die zweihundert echten toten Säue habt ihr ihm dreimal untergejubelt?«
    »Viermal. Zuletzt wollte er sie nicht mehr sehen.«
    »Und wo gingen die neuntausend Tiere hin?«
    »Moment mal, ich dachte, Sie seien der Aufkäufer.«
    »Ich rede doch vom vergangenen Jahr.«
    Gubitzki regte sich wieder ab. »Polen. Und von dort in den Westen, nach Frankreich, als polnische Mastsau deklariert. Wir durften nicht exportieren, bei uns gab es ja die Seuche.« Gubitzki schüttelte sich vor Lachen.

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