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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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kleiner Urwald. Nieselte es, kam ein verklumpter Haufen an, betonhart und unbrauchbar.
    Für Holz stellte man andererseits geschlossene Waggons zur Verfügung. Es schimmelte, verzog sich und wurde von Pilz befallen. Kohle förderte man vielerorts nur aus dem Grund, um das Plansoll zu erfüllen. Ob man sie benötigte, danach fragte niemand. Und die Konsequenz: Die Überproduktion wurde zu Halden aufgetürmt, die wuchsen und wuchsen, bis man den Anblick nicht mehr ertragen konnte und sie einfach planierte.
    Die Realität übertraf jede Satire: Roheisen, das mehrfach den Schmelzprozess durcheilte, ohne zu höherwertigen Produkten weiterverarbeitet zu werden, beschäftigte die Betriebe und stimmte die auf Vorgaben getrimmten Funktionäre froh. Aus Moskau kam postwendend das Lob für die wundersame Planerfüllung, ohne auch nur ein Gramm Erz angefordert zu haben. Da soll einer sagen, die Wirtschaft funktioniere nicht!
    Das Übel war allgemein bekannt, aber dem Moloch Staat gelang es nicht, die Schuldigen auszumachen und wirkungsvoll gegenzusteuern. Und zum Schluss das vernichtende Fazit: Vierzig Prozent des Volkseinkommens gingen auf diese Art und Weise verloren. Ohne die privaten Nebenerwerbsbauern, die ihre qualitätsmäßig guten Produkte wesentlich teurer anboten und teilweise einen Marktanteil von bis zu achtzig Prozent abdeckten, würde die Sowjetunion zum Armenhaus der Welt gehören.
    Das also war de Zustand seines Vaterlandes. Alexander starrte den Bericht an, als härte er eine Fiktion gelesen, eine Schrift des Klassenfeindes zur Destabilisierung des Kommunismus. Auf hundertfünfzig Seiten eine Aufzählung von wirtschaftlichen Missetaten, die jede Ökonomie strangulierten und dem Sowjetvolk Kosten verursachten, an denen alle Bürger mitzutragen hatten. Zwei Wochen benötigte Alexander, den man schmerzlich mit der Wirklichkeit konfrontiert hatte, um die Fakten zu verarbeiten und einen Entschluss zu fassen. Schmerzlich deshalb, da er die Realität unentwegt verdrängt hatte. Im Grunde genommen jedoch fühlte er sich ertappt, weil auch andere die Situation kannten. Deshalb kam er sich wie ein Lügner vor.
    »Leonid, ich fliege nach Moskau.«
    »Damit habe ich gerechnet.«
    »Du musst ohne auch zurechtkommen.«
    »Bin ich doch in den letzten zwei Jahren schon.«
    »War es wirklich so schlimm mit mir?«
    »Ja.« Leoniels Lächeln verunglückte. «Eigentlich seit dem Tod von Larissa und den Kindern. Du bist nur noch die Hülle deiner selbst gewesen.«
    »Wann wollte Friedhelm Kurz wieder hier sein?«
    »In einer Woche.«
    »übernimm du das bitte und richte ihm Grüße aus.«
    »Wie all die letzten Male auch. Ich hatte immer mehr das Gefühl, der Deutsche kommt nur deinetwegen. Er ist unser absolut bester Lieferant. Zuverlässig und korrekt. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, als gäbe es zwischen dir und ihm irgendwelche ..., wie soll ich sagen, Bande.«
    »Klar doch. Wir Deutschen verstehen uns eben.«
    »Nein, das habe ich nicht gemeint.«
    »Was denn?«
    Leonid konnte es nicht erklären.

    Moskau war für Alexander, der noch die Erinnerung aus den sechziger Jahren hatte, ein Schock. Abgesehen davon, dass man inzwischen ganze Stadtteile neu errichtet hatte, erschien ihm die Metropole unwirklich und abgewirtschaftet. Viele Autos, viele Lkw, aber die täuschten etwas vor, was es nicht gab: produktive Aktivität. Im Gegensatz dazu harrten Käuferschlangen stumm und anklagend vor Geschäften aus, aber drinnen gab es kaum etwas, wofür es sich anzustehen lohnte.
    Betrunkene torkelten auf der Straße, Unrat sammelte sich in den Ecken, der Teerbelag war voller Schlaglöcher.
    Die Touristen fielen auf, unter ihnen sehr viele Deutsche. Alexander wurde gebeten, eine Gruppe mit deren Kamera zu fotografieren. Es waren Jugendliche, die einen für ihn ungewohnten Dialekt sprachen. »Ah, boh äh, denen kanja däeutsch äh.«
    Nur die Soldaten auf dem Roten Platz machten eine Ausnahme: Korrekt und mit zackigem Stechschritt wie eh und je kamen sie noch mit ihrer Welt zurecht.

    Der hohe Beamte des Wirtschaftsministeriums und persönliche Berater des Ministers trat ihm in Hemdsärmeln entgegen, zwischen den Lippen baumelte eine Zigarette. Er führte ihn in sein Büro. Aktenordner lagen aufeinander, übereinander, zusammengeklappt und aufgeschlagen.
    »Was darf ich Ihnen anbieten?«
    »Einen Mokka.«
    Erwartungsvoll sah Kosyrew Alexander an, aber dessen Gesicht blieb ausdruckslos.
    »Wie gefallt Ihnen Moskau?«
    »Ich habe es

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