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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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geheiratet, nicht?«
    »Ja.«
    »Na und? Waren Sie zwischenzeitlich nicht verheiratet?«
    »Doch.«
    »Sehen Sie.«
    Und dann schwieg Wolf. In Alexander arbeitete es. Will sie mich noch sehen? Wohl kaum, wenn sie nur sechs Monate ... Will ich sie noch sehen? Natürlich, wenn sie nicht gleich nach sechs ...
    Wolf gab ihm einige Minuten. »Wissen Sie, Herr Koenen, was für mich das Schlimmste im Leben ist?« Ohne auf eine Antwort zu warten, sprach Wolf weiter: »Etwas zu unterlassen und sich nachher Vorwürfe zu machen: Hätte ich doch nur. Glauben Sie mir, die Vorwürfe, die Sie später quälen werden, wenn Sie jetzt einfach zurückfliegen, sind gravierender als all das, was Sie hier entdecken. Wenn es sich wirklich nicht lohnt, weiter an diese Frau zu denken, dann überzeugen Sie sich davon.«
    Alexanders Kopf war wieder einigermaßen klar. Etwas dumpf und brummend zwar, aber das kannte er durch den Wodkakonsum. »Warum helfen Sie mir überhaupt, Herr Wolf?«
    Wolf antwortete abwehrend: »Service des Hauses.«
    »Das nehme ich Ihnen nicht ab.«
    Wolf seufzte. »Mir ist auch schon oft im Leben geholfen worden. Deshalb.«
    »Im Krieg, in Russland?« Wolf nickte.
    »Und wie hat man Ihnen da geholfen?«
    »Ein russischer Arzt hat mir das Leben gerettet.« Wolf klopfte auf seinen Unterschenkel, es klang hohl. »Prothese. Nur ein Gewehrschuss unterhalb vom Knie, aber die Wunde hatte sich entzündet. Wundbrand. Ich wäre gestorben, wenn mich dieser junge Arzt nicht operiert hätte.«
    »Das war seine Pflicht. Immerhin waren Sie Kriegsgefangener.«
    Wolf schüttelte den Kopf. »Nein. Er war unser Kriegsgefangener und hätte sich nicht als Arzt zu erkennen geben müssen. Und hätte man mich so behandelt, wie wir ihn behandelt haben ...« Wolf schaute zum Fenster hinaus.
    Wenig später entwickelte der ältere Herr eine Strategie. Nach einer Viertelstunde beendete er seinen Monolog mit den Worten: »So was lernt man ja beim Militär.«
    Er rief einen Bekannten an und bat ihn, herauszufinden, wen eine gewisse Hellen Birringer im Frühjahr 1964 geheiratet habe. Als dieser ihm deutlich machen wollte, das könne man heute nicht mehr überprüfen, stutzte ihn Wolf zurecht. »Falls du das nächste Mal in der Altstadt einen gesoffen hast, hier in mein Hotel kommst du bestimmt nicht mehr rein, um deinen Rausch auszuschlafen. Das verspreche ich dir.«
    Wolf lieferte ihm auch eine Hilfe, wie er vorzugehen habe. »Wenn jemand aus einem Unternehmen ausscheidet, dann hinterlässt der oder die Betreffende immer eine Anschrift. Es könnte ja mal Rückfragen geben.«
    Noch am Nachmittag erfuhr Alexander, dass Hellen einen Ingo Jannings geheiratet und in Neuß gewohnt hatte. Wolf lieferte nun den Beweis für die typisch deutsche Gründlichkeit, wie er sagte. Als Düsseldorfer Eigengewächs verfüge er natürlich über ungemeine Kontakte, und auf diesem Wege erfuhr er die neue Anschrift von Hellen Jannings. In Essen am Baldeneysee wohne sie, schon seit fünfzehn Jahren. »Eine Gegend für Gutbetuchte.«
    »Wer ist Jannings?« Der Name kam Alexander bekannt vor.
    Wolf wusste es auch nicht, aber in einem Essener Telefonbuch konnte er die Berufsbezeichnung Direktor nachlesen.
    »Das kann alles oder nichts besagen. Ich bin sozusagen auch der Direktor dieses Etablissements.« Wolf lachte.

    Wieder und wieder ging er am Haus vorbei und versuchte einen Blick über die hohe Hecke auf das Grundstück zu werfen. Es zu umrunden war unmöglich, denn die untere Begrenzung bildete der See. Was Alexander erkennen konnte, war ein mächtiges, flachgeneigtes Satteldach und die große Einfahrt einer Garage. Ich hätte anrufen sollen, sagte er sich immer wieder. Ich hätte anrufen und mich ankündigen sollen. Noch einmal hin und zurück, dann wollte er all seinen Mut zusammennehmen und klingeln. »Ja, wer ist denn da?«
    »Kann ich bitte Frau Hellen Jannings sprechen?«
    »Wer ist denn da bitte?«
    »Ein alter Freund. Ich habe Frau Jannings vor vielen Jahren in ...« »Alex?« Ein Schrei drang durch die Sprechanlage, und dann wieder: »Alex?«
    Alexander konnte nur nicken und brachte kein Wort über die Lippen. Er schluckte und sah stur geradeaus. Innerlich versuchte er sich zu wappnen. Endlich die langersehnte Begegnung. Endlich.
    Eine Tür ging auf, hastige Schritte über einen steinigen Bodenbelag, sie stand vor in ihm.
    »Alex ...« Zwei Sekunden starrte sie ihn ungläubig an, dann warf sie sich an seine Brust. »Alex, dass es dich noch gibt.«
    Er streichelte

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