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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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ihren Rücken und merkte, wie sie zuckte.
    Mit tränenfeuchten Augen sagte sie: »Alex, ich dachte, du seiest tot.« Und dann küsste sie ihn.
    Es war doch Weihnachten. Hellen hakte sich bei ihm unter, staksig ging er neben ihr her. Fest umschloss sie mit der freien Hand seinen Arm. Unentwegt sah sie ihn an. Und sie weinte. Sie bemühte sich nicht, die Tränen wegzuwischen.
    Hellen führte ihn ins Wohnzimmer und setzte sich neben ihn. Seine Hände hielt sie umklammert, schwieg, weinte und sah ihn immer wieder an. Und als sie nach einer Weile mit zuckenden Lippen zu sprechen ansetzte, kam sie nicht weiter als »Alex ...«
    Er hätte den Rest seines Lebens auf dem Sofa sitzen und sie nur anschauen können. Die Zeit war weggefegt, es war ihm, als hätten sie sich erst vor wenigen Wochen verabschiedet.
    »Du siehst gut aus«, stammelte er. »Wirklich gut.« Er hätte sich ohrfeigen können für diese plumpen Worte;.
    »Du auch ... Alex«
    »Und schön hast du es hier.« Er betrachtete das große Wohnzimmer.
    Hellen schluckte. »Ja. Uns gefällt es.«
    »Und so ruhig.«
    »Ja.«
    Dann brach es aus ihm heraus. Die Schleuse konnte dem Druck nicht mehr standhalten und öffnete sich. »Du kannst ... kannst dir nicht vorstellen, wie ... wie oft ich an dich ...«
    Er wandte sich ab. Sie zog ihn zu sich, und er legte sein Gesicht auf ihre Brust.
    »Immer wieder habe ich ... egal wo ich war ... wenn es dich nicht gegeben hätte, glaube mir ...«
    »Ist gut, Alex. Jetzt ist alles gut.« Er drückte seinen Kopf hinein in ihre Hände. »Alles ist gut. Ich freue mich so.«
    Als sie sich später betrachteten und die geröteten Augen bemerkten, lachten sie.
    »Wie zwei Teenager«, sagte Hellen. »Komm, ich mache uns einen Kaffee.«
    Am Esszimmertisch wusste er nicht, wohin mit seinen Händen. Er drehte die Tasse, rührte mit dem Löffel und glättete die Tischdecke. Vor Verlegenheit schaute er hinaus auf das dicht bewachsene Grundstück, weiter zum See und zu den Booten mit den aufgeblähten Segeln, die dort kreuzten. Er hatte Hemmungen, mit dem Erzählen zu beginnen und mit Hellens Wirklichkeit konfrontiert zu werden. Und die war nun mal, dass sie mit Familiennamen Jannings hieß.
    Hellen fuhr ihm mit den Fingerspitzen durchs Schläfenhaar. »Etwas grau bist du geworden. Aber es steht dir gut.«
    »Du hast immer noch deine alte Haarfarbe.« Verwirrt wandte er sich ab. Ihre Augen irritierten ihn, der Glanz, die Wärme und die Art, wie sie ihn anschaute.
    »Ja, mein Friseur versteht seinen Job. Aber komm, Alex, ich bin so neugierig.«
    Unsicher sah er sie an. »Musst du denn nicht ...«
    »Was? Ach so, du meinst meine Familie? Mein Mann kommt übermorgen aus Madrid zurück. Er ist geschäftlich unterwegs. Und mein Sohn ...«
    »Du hast einen Sohn?«
    »Er studiert in Trier und steht kurz vor dein Examen. Wenn er Geld braucht, kommt er nach Hause. Und für frische Wäsche.«
    Hellen zog ihn hoch und führte ihn ins Wohnzimmer. Sie drückte ihn in einen Sessel und reichte ihm ein Glas Cognac.
    »Jetzt will ich alles wissen. Ich habe mir sehr große Sorgen um dich gemacht. Ich habe ...« Sie stand abrupt auf und kam nach wenigen Sekunden mit einem Taschentuch zurück.
    Alexanders Geschichte begann vor mehr als fünfundzwanzig Jahren mit dem Abschiedskuss im Hotel National und endete in Düsseldorf bei Wolf, dem Kriegsveteranen. Mitternacht war längst vorbei. Auf dem jetzt dunklen See schaukelten noch einige Lichter. Als Hellen ihn betrachtete, bemerkte er den Schmerz in ihrem Gesicht. Zwischendurch hatte sie sich immer wieder die Augen abgetupft.
    »Was du erlebt hast! Es ist grausam. Und alles wegen dieser zweihundert Dollar. Wer hat sie dir zugesteckt?«
    »Ich dachte oft. du seiest es gewesen. Heimlich. Weil du wusstest, ich hätte das Geld nicht angenommen.«
    »Nein, ich war es nicht.«
    Er fühlte sich erleichtert.
    »Gleich als ich zu Hause war, habe ich dir einen Brief an die deutsche Botschaft geschrieben. Und dann wieder und wieder. Aber es kam keine Antwort. Ich dachte, all deine Worte, nur um mit mir ... Ich bin keine Katharina.«
    »Ich weiß.« Er nahm sie in den Arm. Noch vor zwei Tagen waren ihm ähnliche Überlegungen gekommen. Wie konnte er nur je an ihrer Aufrichtigkeit zweifeln.
    »Hier, deine Briefe. Man hat sie abgefangen und mir nach mehr als zwanzig Jahre ausgehändigt.«
    »Nach mehr als zwanzig Jahren ...?« Sie nahm die Briefe in die Hand. »Hast du sie oft ... sie sehen so mitgenommen aus.«
    Alexander nickte.

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