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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Schokolade, in Silberpapier verpackt. Die Kerzen, der schummrige Raum, ein kleiner Tannenbaum mit Lametta und weiß angemalten Engeln aus Karton oder Sperrholz und deutsche Weihnachtslieder. Stille Nacht. Alexander fühlte die gleiche Ehrfurcht wie damals. Stille Nacht. Dieses melancholische weihevolle Lied, das so ganz seinen Gefühlen entsprach.
    Wie wird Hellen reagieren?
    Alexander konnte nicht schlafen. Als er sich am nächsten Tag auf den Weg zu Mannesmann machte, fühlte er sich unsicher und aufgeregt zugleich, wie als Kind, wenn er im Zimmer nach den Geschenken suchte. Und für ihn war Weihnachten, mitten im August.
    In wenigen Worten umriss Alexander sein Anliegen. Herr Prinz, Mitarbeiter der Personalabteilung, zeigte Verständnis, ging in die Registratur und kam mit einem Stapel Akten zurück.
    »Hellen Birringer Wann bitte geboren?«
    »1939.«
    »Und in Moskau … ?«
    »Oktober 1963.«
    »Dolmetscherin, sagten Sie?«
    »Ja.«
    Nach zwei Stunden das niederschmetternde Ergebnis: Eine Hellen Birringer war nicht bekannt und auch nie im Konzern beschäftigt gewesen. Aber damals, meinte Prinz, seien seines Wissens doch mehrere Firmen an den Verhandlungen ...
    Alexander nickte eifrig. »Auch Hoesch.« An die andere erinnerte er sich nicht mehr.
    »1963, Oktober, Moskau«, murmelte Prinz, während er sich den Telefonhörer schnappte und wählte. Nachdem er sich vorgestellt hatte, vertröstete man ihn einige Minuten. Endlich die Antwort: Eine Frau Birringer habe bis März 1964 in der Firma gearbeitet, dann sei sie wegen Heirat ausgeschieden.
    »Habe ich Ihnen weiterhelfen können?«
    Alexander schluckte. »Ja, vielen Dank.«
    Weihnachten wir vorbei, die Ernüchterung hatte ihn eingeholt, steifbeinig stolperte er hinaus. Ein halbes Jahr nach unserem Kennenlernen hat sie geheiratet. Alles nur Worte, alles leere Versprechungen, und ich habe ihr Bild immer noch in mir drin. Eingefressen hat es sich, unauslöschlich neben dem von Larissa. Ich muss es loswerden. Und die Briefe auch.
    Alexander betrank sich. Er schüttete den Schnaps schneller in sich hinein, als er schlucken konnte. Ein Großteil lief ihm übers Kinn auf Hemd und Jacke. Später saß er apathisch in der Ecke des Lokals und stierte stumpfsinnig vor sich hin. Hellen also doch eine Katharina. Nur leere Worte und Versprechungen, um mich dummen Russki ins Bett zu locken. Dazu war ich gut genug.
    Irgendwann kippte er zur Seite und schlief. Der Kellner entdeckte in seiner Jacke die Karte des Hotels, ein Taxi brachte ihn hin. Der Fahrer schleppte ihn gemeinsam mit dem Nachtportier aufs Zimmer.

    Als Alexander die Augen aufschlug, blickte er in das freundliche Gesicht des älteren Herrn mit der Hornbrille.
    »Herr Koenen, Sie machen uns Sorgen.«
    Alexander war nicht nach Reden, außerdem hatte er Kopfschmerzen und einen trockenen Mund. Die Briefe lagen auf dem Nachttisch.
    »Mein Name ist Wolf. Ich bin Rentner und verdiene mir hier etwas dazu.« Er hielt ihm ein Glas Wasser hin. Gierig trank Alexander. »Wer von so weit herkommt, um jemandem nach so langer Zeit zu suchen, der muss einen triftigen Grund haben. Und er muss einen besonders triftigen Grund haben, weil er es gerade jetzt tut.«
    Alexander schloss die Augen. Ich habe einen triftigen Grund, es zu tun. Dann verbesserte er sich. Ich hatte. Dass Hellen verheiratet war, bedrückte ihn nicht so sehr wie der Umstand, mit welcher Schnelligkeit sie es getan hatte. Zwei Jahre später, er hätte es gebilligt und Verständnis gezeigt. Aber nach nur sechs Monaten?
    »Sie haben nicht mehr das Bedürfnis, diese Frau zu suchen?«
    »Richtig.«
    »Das sagt Ihnen Ihre Logik. Und wie steht es mit dem Gefühl?«
    Alexander horchte in sich hinein. Was empfinde ich für Hellen? Oder ist da nur noch die Erinnerung, die sich eingeprägt hat und mir etwas vorgaukelt? Mir in all der schlechten Zeit eine Hilfe war? Und jetzt verwechsele ich beides: Gefühl und Erinnerung.
    »So, wie ich Sie einschätze, haben Sie vieles im Leben mit Logik gemacht und erreicht. Probieren Sie es doch zur Abwechslung mal mit dem Gefühl. Oder wollen Sie sich eingestehen, dass Sie sich all die Jahre selbst belogen haben? Sich etwas vorgemacht haben?«
    Alexander nagte auf der Unterlippe.
    »Herr Koenen, wenn Sie nach so vielen Jahren diesen weiten Weg hinter sich bringen, um eine Frau zu treffen, dann, verdammt noch mal, ist sie es auch wert. Gleichgültig, was in der Zwischenzeit geschehen ist.«
    Alexander schüttelte den Kopf.
    »Sie hat

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