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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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zusammen. Außerdem fühlten sie sich motiviert, weil ihre Leistung von der Lagerverwaltung durch Sonderrationen und andere Vergünstigungen anerkannt wurde. Erst recht legten sie sich ins Zeug, als sie hörten, dass die Wette mit der Bohrstation Truz 16 doch noch zustandegekommen war.
    In der darauf folgenden Woche blies der Wind stärker. Ein Mast wurde überrissen und zersplitterte, beinahe wäre ein Wachposten zu Tode gekommen. Er konnte gerade noch wegspringen.
    »Siehst du, Pagodin, ein bisschen Vorsehung ist stets dabei«, scherzte Alexander.
    Auch wenn der Erfolg sich einstellte, die gegenseitige Abneigung war immer noch physisch zu spüren. Aber die ungleichen Kontrahenten hatten zumindest erkannt, als Zweckgemeinschaft mehr erreichen zu können. Beide akzeptierten den Status quo, indem sie den jeweils anderen, soweit es ihnen möglich war, respektierten. Pagodin setzte seine Beziehungen ein, um alle wichtigen Dinge zu organisieren. Inzwischen hatten die Strafgefangenen gefütterte Winterkleidung erhalten, dazu wärmende Stiefel und Fäustlinge.
    Über die Verpflegung brauchten sie sich nicht zu beklagen. Einmal gab es zur Verwunderung aller einen Apfel zum Nachtisch. Ein
    Apfel, und das mitten im Winter? Wo Pagodin den wohl hergezaubert hatte?
    Die Hälfte ihres Arbeitspensums hatten die Sträflinge bereits errichtet, als überraschend Besuch von der Bohrstation Truz 16 kam. Voller Stolz zeigte Pagodin den drei Kollegen die bisher geleistete Arbeit. Anschließend konnten der leitende Ingenieur und seine beiden Begleiter nicht schnell genug wieder zurück, als sie sahen, was sich alles auf SlB 12 getan hatte.
    In der sechsten Woche flaute der Wand überraschend ab, die Kälte nahm zu. Die Männer verlegten sich auf das Bohren der drei Meter tiefen Löcher, die sie abdeckten, damit der Schnee sie nicht wieder füllte. Als das Thermometer bis auf fünfzig Grad unter Null sackte, gab es einige Tage nichts zu tun.
    Alexander unterhielt sich oft mit Aljoscha. Bewundernswert, wie der schmächtige Blondkopf aus Odessa die Entwicklung von Kunst, Malerei und Literatur erklären, in Verbindung bringen und an Beispielen belegen konnte, wie eines das andere bedingte und beeinflusste.

    Die Purga, auch Witwenmacher, Windmörder oder Totengräber genannt, sauste erneut in Orkanstärke über das Land und lähmte, obwohl es nicht mehr ganz so kalt war, jede Tätigkeit in Westsibirien. Unbeeindruckt von der Naturgewalt, arbeiteten die Lagerinsassen weiter, und am 15. März hatte SIB 12 das Plansoll erfüllt. Der letzte Mast schrammte in sein Loch, wurde verkeilt und saß. Schnell wurde das restliche Stück Stromkabel gezogen, die Männer warfen ihre Fellmützen in die Luft johlten und klatschten in die Hände.
    Am nächsten Tag kamen wirklich zwei Reporter eingeflogen, um sich selbst von der Leistung der Strafgefangenen zu überzeugen. Die ließen es sich nicht nehmen, ihre ausgefallene Technik an einem Beispiel zu demonstrieren. Den Reportern verschlug es die Sprache, sie schossen einige Fotos, and bereits eine Woche später hielt Pagodin je ein Exemplar der »Sowjetski Technik« und der »Prawda« in der Hand, die der Lebensmitteltransporter aus dem Süden mitgebracht hatte.
    Neue Wege im Strafvollzug, stand zuoberst zu lesen. Der folgende Artikel war eine Lobeshymne auf den Staat und dessen kreativ fähige Köpfe wie den Lagerleiter Pagodin, der es geschafft habe, den Strafvollzug zu revolutionieren. Seine Gefangenen seien mit Eifer bei der Sache und betrachteten ihre Haft als Zeit der Besserung und als Vorbereitung auf die Reintegration in die sozialistische Gesellschaft.
    »Wie du siehst, Gautulin, haben sie den Text genauso übernommen, wie du ihn mir vorformuliert hast.«
    Alexander grinste spitzbübisch. »Was willst du mehr? Die Propaganda ist doch sehr wirkungsvoll, nicht?«
    SIB 12 hatte das avisierte Ziel um mehr als drei Monate früher erfüllt. Die Stromkabel waren längst gespannt, auch das zum Telefonieren, aber noch warteten sie auf den Wodka, den ihnen die Bohrstation schuldig war. Wahrscheinlich hatte der Leiter von Truz 16 Schwierigkeiten, auf die Schnelle eine solche Menge zu organisieren.
    Und schon kam Alexander mit einer neuen Idee.
    »Bis zum Sommer müssen wir unseren Bohrturm streichen. Möglichst früh sollte das geschehen, damit das Metall nicht zu rosten beginnt. Aber während der Tätigkeit können wir nicht nach Erdgas suchen, deshalb gehen uns ungefähr vier Wochen verloren. Im April jedoch

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