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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Ob sie auf der Suche nach ihm waren?
    Etliche Transporter benutzten den Winterweg, auffällig viele Tanklastzüge waren darunter. Auffällig, was die Anzahl betraf und auch, weil sie ein rasantes Tempo vorlegten. Andere hatten Langholz geladen, vielleicht für ein Sägewerk in Tasowskij, bei den übrigen war die Fracht unter festgezurrten Planen versteckt.
    Abermals verlor Alexander jeglichen Zeitbegriff. Mehrere zugefrorene Flüsse hatte er zu überqueren, darunter einen sehr breiten. Dort war das Eis am unsichersten. Es knarrte und quietschte, und in der Mitte hatten sich gefrorene Schollen übereinander geschoben, als habe man mit dem Eisbrecher eine Fahrrinne freizuhalten versucht. Vielleicht für eine Fähre, denn irgendwie mussten ja auch die Lastkraftwagen überwechseln. Ob das schon die Tas war?
    Auf der anderen Seite nahm der Verkehr zu, weil von Süden eine zweite Allwetterstraße nach Tasowskij verlief.
    Wenige Stunden später sah Alexander die Stadt, und ihm bot sich ein ähnliches Bild wie in Nyda. Überhaupt glichen sich die Ortschaften im Norden auf den ersten Blick, weil der Schnee und die
    schlechte Sicht viele Unterscheidungsmerkmale verschluckten. Vor den Fenstern hingen unzählige Säcke und Beutel mit Nahrungsmitteln, der energiesparende sibirische Tiefkühlschrank.
    Alexander bemerkte keine Straßenkontrolle, war aber trotzdem sehr vorsichtig und umrundete den Ort halb, um ihn aus Nordosten zu betreten. Ein gefährliches Unterfangen, aber von dort, so zumindest redete er sich ein, würde man ihn nicht erwarten. Um möglichst wenig aufzufallen, versteckte er seine Ausrüstung samt Ski vor der Stadt unter einem Berg aus Schnee und markierte sich die Stelle.
    Als gehöre er dazu, spazierte er mit hochgeschlagenem Kragen in Tasowskij umher. Er trank Tee, schön stark und heiß, das belebte, und er aß eines der weichen Brötchen, zäh und widerspenstig, die jedes schlechte Gebiss und erst recht die dritten Zähne auf eine ernsthafte Probe stellen konnten. Der Raum, in dem er alles konsumierte, nannte sich Restaurant und war gemütlich wie eine heruntergekommene Bahnhofshalle. Auf den Tischen keine Decken, nicht einmal welche aus Papier oder Plastik, dafür verkratztes Holz, wackelige Stühle und ein verdreckter Boden. Die Bedienung, ein altes Mütterchen und ein Mann, vermutlich ihr Sohn, waren nicht auf Freundlichkeit aus. An Wasser wurde auch gespart, denn aus seiner Tasse hatten den Spuren nach vor ihm schon andere getrunken, darunter eine Frau mit rosarot geschminkten Lippen. Sozusagen als Ausgleich dafür war es in dem Raum warm, und das wog einiges wieder auf.
    Alexander, sein Bart war noch dichter geworden und verlieh ihm etwas Abenteuerliches, bemühte sich um einen beiläufigen Ton, als er nach Litvius Nadeike fragte. Die alte Frau sah ihren Sohn an und dann wieder den einzigen Gast.
    »Was wollen Sie von ihm?«
    »Ich habe Nachricht von seinem Bruder.«
    Wie aus der Pistole geschossen: »Kann nicht sein.« Das Mütterchen lachte und zeigte hier und da einen Zahn. »Der ist nämlich tot.«
    Alexander gab sich erstaunt. »Ich habe ihn doch noch vor ein paar Wochen weiter im Süden gesehen.«
    »Das mag ja stimmen. Aber inzwischen ist er tot.«
    Als Alexander nicht reagierte, kam sie näher und baute sich neben ihm auf. »Ich weiß es von Zwergowitsch, dem Leutnant der Miliz«, verkündete sie gewichtig. »Er kommt häufig zum Essen. Nadeike soll in eine dunkle Machenschaft verstrickt gewesen sein.«
    Alexander starrte vor sich auf die Tasse, und in seinem Kopf kreisten die wildesten Gedanken. Da Markus Nadeike ordentliche Papiere hatte vorweisen können, konnte es sich bei der dunklen Machenschaft folglich nur um ihn, Alexander, handeln.
    »Trotzdem. Ich habe was für Litvius. Wo kann ich ihn finden?«
    Der Sohn schob sich näher. »Wäre es nicht besser, wenn ich zu ihm ginge und ihm sagte, ein Fremder wünsche ihn zu sprechen?«
    Alexander war einverstanden.
    »Macht fünfzig.«
    Nach einer Stunde kam der Sohn wieder zurück.
    »Litvius will dich sehen. Kennst du die Straße nach Nordosten?«
    Obwohl er aus der Richtung gekommen war, verneinte Alexander.
    »Halte dich nach links. Hinter dem letzten Haus geht ein Weg ab. Ist nicht zu verfehlen, wegen der Spuren im Schnee. Nach einem Kilometer kommt eine Gabelung, dort wartet Litvius auf dich.«
    Alexander gab sich gelassen, als er das Restaurant verließ, aber draußen auf der Straße zitterten ihm die Knie. Langsam, als könne ihn nichts

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