Der König von Sibirien (German Edition)
Stelle drückte sich Blut durch, stand inmitten einer Gruppe von Beamten und schimpfte wie ein Rohrspatz.
»Und als es ans Bezahlen ging, da schlägt mir einer der Kerle ein Rohr über den Schädel, und ich bin weggetreten«, konnte Alexander hören. »Wie ich aufwache, ist alles verschwunden. Keine Kiste mehr auf dem Lkw.«
»Und wo ist die Lade-und Fahrgenehmigung?«
Jetzt haben sie ihn, dachte Alexander, aber der gewiefte Lette griff in die Brusttasche seiner vor Schmutz starrenden Latzhose und zeigte die entsprechenden Unterlagen. Schwarzhandel mit richtigen Papieren, wie konnte das funktionieren?
»Hier, mein Freund Romuald, er kann bestätigen, was ich geladen hatte. Und das wir vor zwei Tagen in Salechard waren und dort einen Teil losgeworden sind.«
Nadeike deutete auf Alexander, der zögernd näher trat.
»Ausweis.«
Höflichkeit durfte man bei der Miliz im hohen Norden nicht erwarten.
»Das Bild hat aber keine große Ähnlichkeit.«
Alexander zwang sich zur Ruhe. »Das macht der Bart.«
Der Milizionär nahm Alexanders Personalien auf und notierte sich seine Aussage.
»Kommt heute Nachmittag auf die Station, um die Anzeige zu unterschreiben.«
Nadeike und Alexander waren allein. »Da steckt der Rabe dahinter«, fluchte der Lette, und Alexander erfuhr, beim Raben handele es sich um den größten Schwarzhändler im Norden. Alles könne man von ihm erstehen: Radios, Schmuck, Gold, Damenunterwäsche und Waffen.
»Zehntausend Dollar habe ich verloren«, klagte Nadeike. »Wie soll ich das meinem Bruder in Tasowskij erklären? Sein Geld steckt mit drin in dem Geschäft.«
Alexander wollte sich davor drücken, aber Nadeike schleppte ihn mit zur Polizeistation. In wenigen Minuten waren die noch offenstehenden Fragen von Nadeike beantwortet und die Angelegenheit erledigt worden. Später, beim Essen, erzählte der Lette, wie er zum Schwarzhandel gekommen war, und zwar durch seinen Bruder, der sehr gute Kontakte zur Marine habe. Denen verkaufte er, was sie eben brauchten. Offiziell und gegen Rechnung, wie Nadeike betonte. »Litvius, so heißt mein Bruder, macht damit ein Vermögen. Wenn du mal Hilfe brauchst, geh zu ihm hin und sage einfach, ich schickte dich.«
Zuerst, also vor zehn Jahren oder weiter zurück, hätten sie nur sowjetische Produkte verschoben. Nahrungsmittel aus dem Süden in den Norden, Pelze und Felle und speziell Rentierfleisch in die entgegengesetzte Richtung bis nach Moskau. Dann seien sie auf Wodka und Tabak umgeschwenkt, was wesentlich mehr Gewinn gebracht habe.
»Du glaubst ja nicht, welche Mengen die hier oben schlucken. Alkohol ist in dieser Kälte und Einsamkeit dein bester Freund und ersetzt vom dritten Glas an jede Frau.« Nadeike kugelte sich vor Lachen. Vor knapp zwei Jahren sei sein Bruder durch einen guten Bekannten, der es wiederum von einem Armeeoffizier wisse, auf die Vietnamspur gestoßen. Und die werfe ungemein viel Profit ab.
»Ist aber auch gefährlich, wie du sehen kannst.« Nadeike befühlte seinen Hinterkopf und verzog das Gesicht.
Die Dinge überschlugen sich. Nadeike verbrachte die Nacht wieder in seinem Lkw, weil er Angst hatte, den würden sie ihm auch noch stehlen - trotz des abschließbaren Schuppens. Als Alexander ihn am Morgen aufsuchte, stand das Fahrzeug noch am alten Platz, aber sein Besitzer war nicht zu sehen. Stattdessen entdeckte Alexander auf der Ladefläche eine große Blutlache.
Alexander, der sich einiges zusammenreimen konnte, durchsuchte das Fahrerhaus und nahm alles an sich. Unter dem Sitz fand er in Zeitung eingewickelte Papiere, ausländisches Geld, überwiegend Dollar, aber auch Deutsche Mark, und mehrere tausend Rubel.
Dann machte er sich auf zu seiner schäbigen Unterkunft. Dort wartete jedoch die Miliz. Was sie von ihm wollten, konnte Alexander sich ausrechnen, einige Male hatte man seine Personalien, oder richtiger, die von Pagodin, aufgenommen. Vielleicht waren die Angaben verglichen worden? Oder man hatte sie weitergemeldet? Schlimme Vermutungen durchzuckten sein Hirn. Sie sind mir auf der Spur und haben herausgefunden, dass ich mich für Pagodin ausgebe, redete er sich ein. Sie wissen somit genau, dass sie Alexander Gautulin vor sich haben, denn außer mir scheint es keinen zu geben, dem die Flucht aus SIE 12 gelungen ist.
Diese Erkenntnis setzte in ihm einen Mechanismus in Gang, der zum Weglaufen animierte. Alexander kämpfte dagegen an, zog den Kopf ein, vergrub die Hände in seiner Jacke, überquerte einen Hinterhof und
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