Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
Vom Netzwerk:
dass wir uns noch ein Mal begegnen werden.«
    »Ist der Weg bis nach Ust-Port so gefährlich?«
    »Ich kenne niemanden, der ihn im Winter gegangen ist. Glaube mir, die 350 Kilometer sind die Hölle. Ich wünsche dir viel Glück.«
    Ein paar Sekunden später fügte er in einem Ton hinzu, als sei es überflüssig: »Hier, noch eine Adresse. Dort kannst du vielleicht für einige Zeit unterkommen.«
    Litvius hatte einen Zettel auf den Tisch gelegt und war gegangen. Alexander begann sofort mit den Vorbereitungen für seinen Abmarsch, er nahm die Warnung des Letten ernst. Den Schlitten von Litvius wollte er benutzen, weil er handlich und leicht und dank der Holzverstrebungen trotzdem robust war. Geformt wie eine Badewanne, hatte er eine breite Schneeauflage und sank nicht so tief ein. Mit den zwei stabilisierenden, metallbeschlagenen Kanten würde das Ziehen kaum Kraft beanspruchen. Außerdem konnte er auf seinem Marsch, dessen Gelingen eine Frage der Ausrüstung zu sein schien, wesentlich mehr mitnehmen als in einem Rucksack.
    Als er das Geld einstecken wollte, bemerkte Alexander den Ausweis, der ihn berechtigte, den militärischen Bereich des Hafens von Salechard zu betreten. Abgebildet war ein Mann mit Bart, das verschwommene Foto konnte fast jeden x-beliebigen darstellen. David Delkowitsch würde er nun bei allen offiziellen Kontrollen heißen.

    Alexander erreichte Ust-Port. Es war eine Tortur, die schlimmste, die er bisher überstanden hatte. Kälte, das Trommelfeuer des eisigen Schnees, das sein Gesicht taub werden ließ, dann das Klopfen im schlecht zusammengewachsenen Schienbein, die Einsamkeit und die schlimmen Gedanken. Mehrmals war er geneigt, einfach aufzugeben, die Plane seines Zeltes abzulegen, seine Jacke auszuziehen, alles Wärmende abzustreifen und den Kältetod zu sterben. Das Ende, so hatte er gehört, sei ein schmerzloser Tod. Die Kälte würde einen hinüberdämmern lassen.
    Müde, ausgelaugt und von einer Gleichgültigkeit besessen, die ihn erstaunte und zugleich ängstigte, erreichte Alexander die Stadt am zugefrorenen Jenissei, einem der mächtigsten Müsse der Erde. Abgesehen von den Kai-und Hafenanlagen war Ust-Port nicht viel größer als Tasowskij. Vielleicht gab es einige Steingebäude mehr, das war es aber auch schon. Alle festen Häuser standen auf Stelzen, die einzige Möglichkeit, auf dem Dauerfrostboden mehrgeschossig zu bauen. Dazu rammte man Betonpfosten - ähnlich wie in SIB 12 die Strommasten - so tief in den Boden, bis sie im Untergrund standen, der nie auftaute. Fester konnte ein Fundament nicht sein.
    Alexander deponierte auch hier seine Ausrüstung samt Schlitten vor der Stadt und fragte sich wenig später zu der angegebenen Adresse durch. Als er den flachen Holzbau betrachtete und das Schild über dem Eingang las, wollte er kehrtmachen und verschwinden, denn vor sich sah er die Kantine und gleich hinter einem Zaun die Baracken der Marinesoldaten. Oder war es die Armee? Ausgerechnet hier sollte er sich melden? Was hatte sich Litvius dabei gedacht?
    Alexander wurde bereits erwartet, er war durch den Letten, trotz dessen pessimistischer Einschätzung über das Gelingen des Fußmarsches, per Funk angekündigt worden.
    »Sie sind also der Neue«, sprach die übergewichtige Frau so laut, dass jeder Grast, alle spitzten die Ohren, es verstehen konnte. Nach einigen Sekunden, in denen die Dunkelhaarige den Ankömmling ungeniert musterte, fügte sie hinzu: »Scheinen ja einiges hinter sich zu haben. Und das alles wegen so einer verrückten Wette. Warum haben Sie denn keinen der Transporter genommen? Ich warte schon seit zwei Wochen auf Sie.«
    Alexander, um dessen Stiefel sich kleine Wasserlachen bildeten, atmete auf. Litvius hatte an alles gedacht und die ungewöhnliche Art seiner Reise glaubhaft begründet.
    »Ich brauche die fünfhundert Rubel. Verstehen Sie?«
    Die Dicke schüttelte den Kopf und kam auf ein anderes Thema zu sprechen. »Sie haben zuletzt in Salechard gearbeitet, in der militärischen Sperrzone am Hafen. Dann zeigen Sie mal Ihren Ausweis.«
    Die neugierigen Gesichter, man interessierte sich im dünn besiedelten Norden für jeden Fremden, beugten sich, nachdem man Alexander ausgiebig taxiert, den Grund für seinen körperlichen Zustand erkannt und ihn in die Kategorie armer Schlucker eingeordnet hatte, wieder über das Essen oder den Wodka, halb und halb mit Tee gemischt.
    »Ich kann einen Mann für die Küche brauchen. Melden Sie sich noch beim Stadtsowjet von Ust-Port

Weitere Kostenlose Bücher