Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
das mit Frankreich Geschäfte machte. Wenig später habe ich auf einer Industriemesse Tanguy kennengelernt …“
Zoé durchfuhr ein eisiger Gedanke, als sie den Namen ihres Großvaters hörte. Sie sah ihrer Oma fest in die Augen, und ihr war, als würde die Zeit stillstehen, während sie auf eine Reaktion wartete. Tanguy de Bezancourt war ihr größtes Glück gewesen. Bestimmt war sie in der kargen Nachkriegszeit beeindruckt gewesen von dem unglaublichen Reichtum des französischen Adligen und ehemaligen Resistance-Kämpfers mit dem sanften Blick. Leider war Tanguy schon vor Zoés Geburt gestorben. Doch immer wenn die Rede auf ihn kam, hatte sich ein entrückter Glanz auf das Gesicht ihrer Oma gelegt. Auch jetzt sah Maria sie zärtlich an. „Meine kleine Zoé, Tanguy de Bezancourt ist dein Großvater. Er und kein anderer.“
Sie fühlte sich erleichtert – und nun war es ihr unangenehm, dass sie überhaupt an ihrer Großmutter gezweifelt hatte.
„Eine Frage bleibt allerdings noch immer unbeantwortet.“ Benjamin hatte sich zu ihnen umgewandt. Das Licht, das durch die Rillen des geschlossenen Fensterladens drang, verursachte dunkle und helle Streifen auf seinem Gesicht. „Wo befindet sich das Bernsteinzimmer heute?“
Zoé hielt den Atem an. Wurde das alte Geheimnis jetzt endgültig gelüftet?
Als es an der Tür klopfte, drückte Thalberg die Zigarette aus und ließ Sarrow noch ein wenig draußen stehen, bevor er ihn hereinrief.
Die Tür ging auf, und Sarrow trat ein, den rechten Arm zum militärischen Gruß erhoben. Thalberg blieb regungslos sitzen. Mit federnden Schritten kam der Mann näher. Der stämmige Körper und das zackige Auftreten passten nicht zu dem Gesicht mit den weichen Zügen. Maximilian Sarrow hatte sich offensichtlich seinen schmalen Kinnbart nur deshalb wachsen lassen, um von diesem soldatischen Makel in seinem Gesicht abzulenken. Unter den kurzgeschorenen blonden Haaren des Operationsleiters lagen nervöse Augen.
Thalberg spürte eine tiefe Befriedigung angesichts der Tragweite der Befehle, die er nun endlich geben konnte, und zögerte den Augenblick noch etwas hinaus. Dann erhob er sich. „Ab jetzt gilt Phase drei der Operation Sonnenuntergang – die Übergabe soll in spätestens vierundzwanzig Stunden stattfinden. Bereiten Sie alles vor.“
Kerzengerade stand Sarrow in dem runden Zimmer, das Thalberg sich oben im alten Wehrturm hatte einrichten lassen. Der unmittelbar anstehende Verkauf des Bernsteinzimmers schien ihm die Sprache verschlagen zu haben. „Sie können gehen“, sagte Thalberg und beendete das Treffen.
Kapitel 44
Zoé hatte sich auf die Lehne eines Sessels gesetzt und schaute gebannt zu ihrer Großmutter. Bisher hatte Maria auf Benjamins Frage nur mit einem freundlichen Blick aus ihren blauen Augen geantwortet, jetzt richtete sie sich auf. „Tja, junger Mann. Ich kann Ihr Interesse gut verstehen, nur fürchte ich, dass Ihnen meine Antwort nicht weiterhelfen wird.“
„Oma, sag uns, was du weißt“, stieß Zoé hervor. „Bitte!“
Maria machte eine vage Handbewegung. „Fritz hat mir erst lange nach meinem Ausscheiden aus dem Dienst vom Transport des Bernsteinzimmers von Schweden nach Deutschland erzählt.“ Sie lächelte dünn. „Obwohl Thalberg es ihm bestimmt ausdrücklich verboten hatte. Aber wo in Deutschland es versteckt wurde, hat selbst er mir nicht verraten.“
Enttäuscht ließ sich Zoé in den großen Sessel fallen. Sie waren der Lösung des Geheimnisses keinen Schritt näher gekommen. Und Maria war ihre letzte Chance gewesen. Sie verdrängte den trüben Gedanken und zwang sich, nicht aufzugeben. Ihre Großmutter musste irgendetwas wissen, das ihnen weiterhelfen konnte – auch wenn es ihr vielleicht selbst gar nicht bewusst war. „Mamie“, sagte sie mit Nachdruck. „Bitte versuch dich zu erinnern. Wir müssen das Bernsteinzimmer unbedingt finden. Bitte denk nach! Was hat Fritz dir noch alles erzählt?“
„Mein Schatz, glaubst du wirklich, ich hätte mir in all den Jahren nicht selbst oft genug die Frage gestellt?“
„Du hast ja recht, aber …“
„Aber“, unterbrach Maria sie, „es gibt vielleicht einen anderen Weg, um das Geheimnis zu lüften.“
Zoé saß augenblicklich wieder kerzengerade. „Und welchen?“
Maria senkte den Kopf und beäugte angestrengt ihre mit Altersflecken überzogenen Hände, die ruhig in ihrem Schoß lagen.
„Mamie?“
„Fritz hat mir über die Jahre immer wieder verschiedene Dinge zukommen
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