Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
mit einem deutlichen Warnhinweis beschriften lassen: Museumsgut Foch-Königsberg / Unbefugtes Öffnen strengstens verboten! , stand auf jeder Kiste, begleitet von einem großen schwarzen Hakenkreuz und dem Reichsadler. Außer Hitler, Himmler und Göring hätte wohl kein Offizier oder Parteifunktionär damals gewagt, auch nur eine Kiste zu öffnen. Den ausdrücklichen Befehl des Gauleiters zu missachten kam einem Todesurteil gleich.“
Benjamin nickte. „Aber wie konnte Thalberg sicher sein, dass nicht etwas Unvorhergesehenes passierte, etwa ein Luftangriff oder Unfall, bei dem die Kisten beschädigt worden wären?“
„Richtig“, sagte Maria. „Stellen Sie sich vor, eine Kiste wäre versehentlich bei der Verladung auf den Boden gefallen und Hunderte unbehandelte Bernsteinstücke wären herausgekullert – spätestens dann hätte Ryst Lunte gerochen.“
„Ryst“, unterbrach Zoé. „Das war doch der Nachfolger von Gommel.“
„Genau“, bestätigte ihre Großmutter. „Foch hatte ihn Albert Poss beim Transport als Wachhund an die Seite gestellt.“
Benjamin runzelte die Stirn. „Traute Foch Poss nicht?“
„Erich Foch traute keinem außer sich selbst, junger Mann.“ Maria legte ihre Hände um die Teetasse. „Foch hatte zwar keine Zweifel an Poss’ Loyalität, dafür hatte sich der Mann bereits zu oft bei delikaten Geheimaufträgen bewährt, aber der Gauleiter wollte – wie immer – auf Nummer sicher gehen.“
„Kanntest du Poss?“ Zoé schmiegte sich in das Sofa und betrachtete ihre Großmutter neugierig. Sie war ihr ein wenig fremd geworden, aber das Fremde zog sie magisch an.
Mit blitzenden Augen begegnete Maria ihrem Blick. „Ja. Wir sind uns ein paarmal im Schloss begegnet. Er war damals der Traum eines deutschen Mädchens. Groß, blond, ein hochdekorierter Fliegeroffizier – und die besten Beziehungen hatte er zu allem Überfluss auch noch.“
„Ich weiß“, sagte Zoé. „Falkenhayn hat uns vom Umzug von Hitlers Halbschwester nach Berchtesgaden erzählt, den Hitler Poss anvertraut hat. Ein echter Vorzeige-Nazi also.“
„Ja, wenn da nicht ein kleiner dunkler Fleck auf der braunen Weste gewesen wäre.“ Marie schlug einen süffisanten Ton an. „Poss war seit vielen Jahren ein glühender Verehrer von Admiral Canaris.“ Sie blickte lächelnd auf ihre Teetasse. „Was eigentlich auch nicht weiter verwunderlich war. Denn Poss kannte Canaris gut – der Abwehrchef war sein Vetter.“
Zoé hätte sich eigentlich denken können, dass es in Deutschland keine Verschwörung gegen die Nazis gab, bei der nicht früher oder später der Name Canaris fiel. Langsam begann sie zu verstehen. „Canaris ist von den Nazis umgebracht worden.“
„Ja, meine Kleine, aber erst später. Damals, im Januar 1945, lebte er noch, wenn auch interniert in Flossenbürg. Hitler hatte ihn wenige Tage nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli verhaften lassen. Die ehrlose Internierung hatte Poss niemals überwunden. Das war der Augenblick, als er sich innerlich vom Regime abgewandt hatte. Natürlich musste er seine Abneigung gegen die Nazis strikt verbergen, um sein eigenes Leben nicht auch noch in Gefahr zu bringen. Er war zwar einer der engsten Vertrauten der Gauleiter von Ostpreußen und Sachsen, Foch und Mutschmann, aber das hätte ihn nicht gerettet, wenn ein Verdacht auf ihn gefallen wäre.“
„Und dennoch hat er einen Fehler begangen“, mutmaßte Zoé.
Maria nickte. „Ich habe nie erfahren, welche Unvorsichtigkeit er sich hatte zuschulden kommen lassen. Vielleicht eine zu offene Rede unter vermeintlichen Freunden – ich weiß es nicht. Jedenfalls fiel der Name Albert Poss im Zusammenhang mit dem Juli-Attentat im streng geheimen Gespräch eines FHO-Offiziers mit einem hochrangigen Befehlshaber der Wehrmacht. Beweise gab es keine. Die brauchte man damals aber auch nicht.“ Maria hielt kurz inne und sah Zoé eindringlich in die Augen. „Und damit kam Poss auf die Liste.“
„Was für eine Liste?“
„Die berüchtigte FHO-Liste, mit Hunderten Namen von hochrangigen Männern aus der NSDAP, der Wehrmacht, der Industrie und nicht zuletzt der SS, die man wegen der einen oder anderen Sache erpressen konnte. Ich habe die Liste nie mit eigenen Augen gesehen, aber ich weiß, dass sie der FHO nach dem Krieg sehr genutzt hat.“ Obwohl diese Zeit längst vergangen war, flüsterte Maria nun beinahe. „Thalberg kannte die Liste. Er hatte sich mit Poss vor dem geplanten Abtransport des Bernsteinzimmers
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