Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Zähne aufeinander.
„Was dachten Sie, Herr Oberst?“ Die Mundwinkel der Kanzlerin zeigten freudlos in die Tiefe. „Sie haben es uns noch immer nicht verraten.“
Böhm drückte den Rücken durch. „Sie hätten es mir sagen sollen … “ Er verstummte erneut und schaute der Kanzlerin ernst in die Augen.
Sie legte den Kopf schief. „Ich hätte es Ihnen sagen sollen … soso. Herr Böhm, es wäre hilfreich, wenn Sie sich in Zukunft mehr um den Abtransport der Kisten und eine ausreichende Stromzufuhr kümmerten, als mir Vorhaltungen zu machen.“ Abrupt wandte sie sich an Benjamin. „Die Anlage hier unten und alles, was damit in Zusammenhang steht, ist ein Staatsgeheimnis. Sie wissen, dass die Offenbarung eines Staatsgeheimnisses schon im Fall der bloßen Gefahr eines besonders schweren Nachteils für Deutschland mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft wird.“
Benjamin strich sich übers Kinn. Die Kanzlerin hatte offenbar einen Blick ins Strafgesetzbuch geworfen. Auch er kannte den Straftatbestand des Landesverrats, der in § 94 nachzulesen war, ganz gut. Und er konnte ihr einen Rat geben, den er schon vielen seiner Studenten zuvor gegeben hatte. „Bei der Anwendung eines Gesetzes empfiehlt es sich, auch die Paragraphen davor und danach zu lesen. In § 93 steht beispielsweise geschrieben, dass Staatsgeheimnisse sich niemals auf Maßnahmen beziehen können, die der freiheitlich demokratischen Grundordnung Deutschlands widersprechen.“ Er hielt kurz inne und sprach dann weiter. „Die fortgesetzte Verheimlichung, dass der BND von einer verfassungsfeindlichen Gruppe unterwandert ist, die das Bernsteinzimmer jahrzehntelang versteckt hält, dürfte wohl das Vorliegen eines Staatsgeheimnisses ausschließen.“ Die Kanzlerin sah ihn missbilligend an, während er fortfuhr. „Und außerdem fällt die erforderliche Abwägung zwischen dem staatlichen Interesse an der Geheimhaltung auf der einen Seite und der Notwendigkeit der öffentlichen Information für die demokratische Willensbildung auf der anderen Seite in dieser Sache zugunsten der Öffentlichkeit aus. Damit steht jedem Staatsbürger das Recht zu, nach freiem Belieben alle wesentlichen Tatsachen über die Bernsteinzimmer-Affäre öffentlich bekanntzumachen. Ja, es scheint geradezu eine staatsbürgerliche Pflicht zu sein.“
Durch das blasse Blau der Kanzleraugen schimmerte blanke Wut. „Jura-Gefasel, das Ihnen nicht weiterhelfen wird! Ich lasse Sie ins Gefängnis werfen, wenn Sie nicht endlich zur Räson kommen.“
„Da müssten Sie mich schon nach Guantánamo verschleppen lassen.“
„Das ist der erste vernünftige Vorschlag, den ich heute von Ihnen höre.“ Sie gab Böhm einen Wink. „Bringen Sie die Herrschaften nach oben und nehmen Sie sie in Gewahrsam.“
Jetzt hatte Zoé endgültig genug von dem Affentheater. „Sie können uns nicht den Mund verbieten, Frau Kanzlerin!“
Benjamin lächelte. „Ich fürchte, sie hat recht.“ Er hob seine Arme mit geöffneten Handflächen. „Wir nennen das Meinungsfreiheit.“
„Zum letzten Mal, Parker: Hier gibt es keine Meinungsfreiheit. Hier stehen existenzielle deutsche Interessen auf dem Spiel.“
„Ich pfeife auf Ihre Geheimhaltung!“, fauchte Zoé, und noch ehe jemand sie aufhalten konnte, marschierte sie direkt auf die Kisten zu.
Kurz vor der ersten Reihe hielt sie inne. Die Soldaten musterten sie skeptisch und schauten dann fragend zu Böhm hinüber. Doch der stand noch immer stocksteif vor der Kanzlerin und machte keine Anstalten einzugreifen.
Vorsichtig strich Zoé über das Holz. Die schwarze Farbe, mit der die Kisten beschriftet worden waren, blätterte bereits an vielen Stellen ab. Schon von weitem hatte sie das Hakenkreuz erblickt, das die Nazis zum fürchterlichen Symbol ihrer Schreckensherrschaft erkoren hatten. Es prangte unter dem Reichsadler, der mit ausgestreckten Flügeln die hölzernen Behältnisse in Beschlag zu nehmen schien. Flüsternd las sie die Inschrift darunter: „Museumsgut Foch-Königsberg /Unbefugtes Öffnen strengstens verboten!“
Ein Schaudern überlief sie. Der Gedanke, dass sie vor dem Bernsteinzimmer stand, das Maria und Falkenhayn vor einundsechzig Jahren in einem Himmelfahrtskommando sondergleichen aus Königsberg geschmuggelt hatten, verschlug ihr den Atem. Der Mut und die Entschlossenheit ihrer Oma überwältigte sie, und Tränen schossen ihr in die Augen.
Diese unglaubliche Geschichte musste der Welt erzählt werden. Und sie war bis in die letzte Zelle
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