Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
organisierte Geheimorganisation durchführen können. Dafür fehlten den wenigen Verschwörern nach den vielen Verhaftungswellen sicher die Möglichkeiten und auch der Mut.“ Er strich sich durch die Haare. „Möglicherweise gehört die Truppe auf dem Gruppenbild zum Geheimdienst.“
„Selbst in der französischen Schule haben wir gelernt, dass die Deutschen über eine hervorragende Spionageeinheit verfügten – die Abwehr “, sagte sie mit bewusst französischem Akzent. „Der Chef hieß so ähnlich wie das französische Wort für Ente, canard, glaube ich.“
„Admiral Canaris.“ In Parkers Gehirn begann unwillkürlich ein Schwarm von Gedanken zu flattern. „Für viele Deutsche gehört Canaris nach wie vor zu den wenigen Heldengestalten im Dritten Reich. Und das, obwohl seit längerem bekannt ist, dass er möglicherweise an der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht beteiligt war. Canaris wurde im April 1945 als mutmaßlicher Mitverschwörer des 20. Juli im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet. Dieser Opfertod hat seine hohe Reputation in Deutschland besiegelt. Seinen Geheimdienst, die Abwehr, hatte Hitler ihm schon im Februar 1944 weggenommen und dem SS-geführten Reichssicherheitshauptamt unterstellt.“
Zoé verzog den Mund. „Und damit scheidet die Abwehr als Räuberin des Bernsteinzimmers aus.“
„Ja“, sagte Parker und wusste im gleichen Augenblick, was er die ganze Zeit übersehen hatte. „Zoé, ich bin solch ein Idiot! Komm mit!“
Er nahm ihr die Tüte und die Zeitung ab und legte beides auf den Beifahrersitz. Dann stieg er aus dem Wagen, ergriff ihre Hand und ging mit ihr in das Café gegenüber. Er ließ sich von der Wirtin den Internet-Zugang zeigen, bestellte zwei Café Crème und setzte sich hinter den Computer, der am Fenster stand. Dann tippte er drei Buchstaben in die Suchmaschine: FHO
Grinsend schaute er Zoé an, deren schwarze Augenbrauen sich fragend zusammenzogen. „Benjamin, was soll das alles?“
Auf dem Bildschirm zeigte die Suchmaschine verschiedene Treffer an. Parker zeigte auf den Eintrag an dritter Stelle:
Fremde Heere Ost
„Was ist das?“
„Das war die berüchtigtste Abteilung des Auslandsgeheimdiensts der Wehrmacht, angesiedelt beim Oberkommando des Heeres und zuständig für den Krieg im Osten. Geleitet wurde er von einem General.“
Parker gab den Namen des Generals ein, und sofort erstreckte sich eine lange Trefferliste auf dem Screen. An fünfter Stelle sah Parker eine Reihe von Fotos im Kleinformat, die den Geheimdienstchef sowohl als jungen Wehrmachtsoffizier als auch im Alter und in Zivilkleidung zeigten.
Zoé hatte sich auf Parkers Schulter gestützt und beugte sich zum Bildschirm hinunter. Hastig verschlang sie den Rest des Croissants. Parker klickte ein Foto des Generals in Uniform an, und es erschien im Großformat.
„Der kleine Offizier mit dem durchdringenden Blick!“, rief Zoé. „Der General war Falkenhayns Chef.“
Er pfiff durch die Zähne. „Tja, Falkenhayn hat für die FHO gearbeitet.“ Es verschlug ihm fast die Sprache. „Zoé, ich fürchte, wir haben uns mit einem mächtigen Gegner angelegt.“
Ihn traf ein skeptischer Blick. „Die FHO ist doch, wie du sagst, ein Nachrichtendienst der Wehrmacht gewesen. Die Wehrmacht gibt es doch gar nicht mehr.“
Angespannt atmete er aus. „Die Wehrmacht ist zwar mit den Nazis untergegangen, aber der General war gerissen genug, um die FHO unversehrt in die Nachkriegszeit hinüberzuretten. Nach dem Krieg nannte sie sich die Organisation oder einfach nur Org. Die FHO oder Org ist einer der mächtigsten Geheimdienste der Welt. Du kennst ihn. Heute heißt er Bundesnachrichtendienst.“
Kapitel 39
Der Bug des kleinen Motorbootes senkte und hob sich behutsam, während es über die sanften Wellen des Ärmelkanals glitt. Hoch über dem Boot trugen Sonne und Wolken einen Wettstreit miteinander aus, der die See in ständig wechselnde grüne und blaue Farbmischungen tauchte. Wer dieses Spektakel einmal in seinem Leben erlebt hatte, dachte Zoé mit fest um das hölzerne Steuer gelegten Fingern, verstand, warum die Bretonen für Grün und Blau nur ein Wort hatten. Sie wandte sich um, um Benjamin auf das Naturschauspiel aufmerksam zu machen, doch der hatte es sich im Heck bequem gemacht und studierte mit konzentriertem Blick die französische Tageszeitung France Ouest, die sie in der Boulangerie erstanden hatte.
Du verpasst etwas, Benjamin, dachte sie. Wie sehr hatte sie als Kind die
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