Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
gemeinsamen Bootsfahrten mit ihrer Großmutter und dem Hausmeister, dem alten Paul, geliebt! Damals besaß ihre Oma nur diese kleine Barke, mittlerweile leistete Maria sich allerdings den Luxus einer komfortablen Jacht, die normalerweise von Paul im Bootsschuppen der Insel liebevoll gehegt und gepflegt wurde. Für unerwartete Gäste und Notfälle lag das betagte Motorboot im Hafen. Den Schlüssel hatte Zoé wie gewohnt vom Hafenmeister erhalten. Der alte Seebär hatte sie sofort wiedererkannt und an sich gedrückt. Besorgt hatte sie ihn nach Maria gefragt. „Madame est là!“, waren seine erlösenden Worte gewesen. Maria war auf der Insel, und niemand hatte nach ihr gefragt oder gar ein Boot gemietet, um dorthin zu gelangen. Erleichtert atmete sie durch. Weit und breit keine Spur von den Killern.
Sie schlug einen nordöstlichen Kurs ein und blickte dem Horizont entgegen. Sie konnte es kaum erwarten, endlich ihre Großmutter wiederzusehen. Der frische Wind, der ihre Jacke glattstrich und mit den Strähnen ihrer Haare spielte, tat ihr gut. Ihre Zuversicht stieg mit jeder Meile, die das Boot sich vom Festland entfernte.
Nur die Entdeckung, welcher Organisation Falkenhayn und die Verbrecher angehörten, lag ihr unverändert wie ein Stein im Magen. Anfänglich konnte sie gar nicht glauben, dass der BND hinter alldem steckte. Doch Benjamin hatte ihr die abenteuerliche Entstehungsgeschichte des Geheimdienstes erzählt. Der General hatte bereits Anfang 1945 und noch als Chef der FHO sämtliches nachrichtendienstliche Material kopieren lassen. Die brisanten Informationen über die sowjetischen Streitkräfte verschwanden dann in fünfzig wasserdichten Stahlkisten und wurden von FHO-Agenten irgendwo in den Bayerischen Alpen versteckt. Damit hatte er die Grundlage für eine unglaubliche Nachkriegskarriere gelegt, die detailliert im Internet nachzulesen war: Im April 1945 hatte Hitler ihn in einem Wutanfall wegen der schonungslosen Feindlageberichte der FHO als Geheimdienstchef abgesetzt, was dem General endgültig freie Hand gab, um sich auf den bevorstehenden Zusammenbruch des Dritten Reiches vorzubereiten – und alles war wie am Schnürchen gelaufen. Wie auf ein verabredetes Zeichen hin verschwanden er und seine Leute kurz vor Kriegsende plötzlich von der Bildfläche und tauchten erst danach im amerikanisch besetzten Teil Deutschlands wieder auf. Er hatte sich im Morgengrauen des 28. April 1945 von einem seiner Männer in einem Seitental der bayerischen Alpen absetzen lassen. Aus Angst vor versprengten SS-Einheiten war der General abseits der Wege durch tiefen Schnee den Berg hochgestiegen, bis er nach vielen mühevollen Stunden sein Ziel erreicht hatte – eine abgelegene Almhütte mit einem traurigen Namen auf über tausend Metern Höhe.
Zoé hatte ihre Rolle als passive Zuschauerin nicht mehr ausgehalten und war auf Benjamins Schoß vor den Computer gerutscht. Ahnungsvoll gab sie den Namen der Alm in die Internet-Suchmaschine ein: Elendsalm
Die meisten Treffer waren Reiseberichte von Wanderern und Mountainbikern. Sie klickte einen Foto-Bericht an und schlug vor Aufregung auf den Tisch, als sie das Foto sah. „Falkenhayns Almhütte.“ Sie wechselte einen vielsagenden Blick mit Benjamin. „Unglaublich.“
Es bestand nicht der geringste Zweifel: Die Hütte auf der Elendsalm war genau diejenige, in der Falkenhayn sie erwartet hatte. Der General hatte mit seinen Männern und einigen Stabshelferinnen hier seelenruhig den Vormarsch der Amerikaner abgewartet und sich dann wenige Tage später freiwillig den amerikanischen Truppen gestellt. Von Anfang an bot er der US-Regierung eine rückhaltlose Zusammenarbeit an, die die Amerikaner vor dem Hintergrund des aufziehenden Kalten Krieges bereitwillig annahmen – zumal die FHO den Geheimdiensten außerordentlich wertvolle Informationen zu bieten hatte. Kein anderer Nachrichtendienst der Welt verfügte bei Kriegsende über auch nur annähernd vergleichbare Kenntnisse über die Rote Armee wie die FHO. Und kein anderer Dienst konnte mit dem weitverzweigten Spionagenetz in Russland konkurrieren. Wie von dem gewieften Agentenführer vorausgesehen, waren die Amerikaner auf ihn und seine Geheiminformationen dringend angewiesen. Es überraschte daher nicht, dass zunächst der amerikanische Militärgeheimdienst und dann später die neu gegründete Central Intelligence Agency die FHO unter ihre Fittiche nahm. Von da an ging es mit dem General steil bergauf. Aus der FHO wurde
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