Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
weit und breit nichts zu sehen.“
„Dass wir sie nicht gesehen haben, heißt nicht, dass sie nicht im Hotel waren.“
Zoé strich sich einige Strähnen aus dem Gesicht und sah ihn geradewegs an. „Benjamin, und nach alledem willst du ernsthaft der Kanzlerin unser Leben anvertrauen?“ Sie verdrehte die Augen und setzte ein argwöhnisches Lächeln auf. Dann schenkte sie ihm einen Blick, mit dem Frauen ihm gemeinhin zu verstehen gaben, dass er von der Durchtriebenheit des weiblichen Geschlechts keinen blassen Schimmer hatte. „Du willst sie also wirklich anrufen, deine Kanzlerin?“
„Nein“, sagte er. „Sie kann jetzt auch nur die französischen und deutschen Polizeibehörden benachrichtigen. Da können wir auch gleich unseren Aufenthaltsort in die Zeitung setzen. Wir wissen doch, dass es bei der Polizei ein scheunentorgroßes Leck gibt – was bedeutet, dass spätestens unser Anruf dazu führen wird, dass man jemanden losschickt, um Maria und uns zu töten. Jemand, der vielleicht einfach in ein Sportflugzeug steigt und lange vor uns da ist.“
Sie musterte ihn eindringlich. „Gibt es noch etwas, was du mir noch nicht gesagt hast?“
Ihre Blicke trafen sich. „Ganz bestimmt.“
Zoés Augen weiteten sich für einen Sekundenbruchteil, dann lächelte sie. „Was machen wir jetzt?“
„Wir fahren weiter.“ Er streichelte ihr über das Haar, aus dem sich wieder zwei unzähmbare Locken gelöst hatten. Sie drehte den Schlüssel im Zündschloss und trat aufs Gaspedal. Mit durchdrehenden Reifen machte der Wagen einen Satz nach vorne und nahm wieder Fahrt auf. „Beeilen wir uns.“
Kapitel 38
Die Sonne stand knapp über dem rötlich-violett schimmernden Meer, dessen ruhige, gleichmäßige Wellen über den langen Sandstrand glitten. Die Bucht war in das sanfte, warme Licht des anbrechenden Morgens getaucht. Im Westen lag ein von festen Mauern geschützter Hafen. Die Masten der kleinen Jachten und Fischerboote, die eng an eng im Hafenbecken Schutz gefunden hatten, klimperten im sanften Wind und gaben dem dahinterliegenden Touristen- und Fischerdorf ein Morgenkonzert. Über dem ganzen Ort hatte sich eine fast märchenhafte Stimmung ausgebreitet, die Parker in ihren Bann gezogen hatte. Die Szenerie war zu vollkommen, um wirklich zu sein, dachte er. Auf Fotos oder Gemälden würde davon kaum mehr als Kitsch übrig bleiben. Er kurbelte das Fenster der Jaguars herunter, streckte seinen Kopf aus dem Wagen, spürte die Wärme der aufsteigenden Sonne und atmete tief die meergetränkte, salzige Luft der Bretagne ein.
Nach stundenlanger Fahrt hatte er den Jaguar schließlich vor einer Boulangerie zum Stehen gebracht. Von ihrem eigentlichen Zielort waren sie jetzt nur noch dreißig Kilometer entfernt. Vorsorglich suchten seine müden Augen die Umgebung ab. Bis auf zwei ältere Männer mit rosigen Gesichtern und in Ölzeug, die vor einem Café saßen, fiel ihm nichts Verdächtiges auf. Wahrscheinlich Fischer, die nach einer arbeitsreichen Nacht auf See einen heißen café crème genossen. Über den Köpfen der Seemänner blinkte ein rot erleuchtetes Schild mit der Aufschrift Ici Internet . Parker lehnte sich zurück und sah zu Zoé hinüber, die auf der anderen Straßenseite vor der Bäckerei in einer Schlange von bretonischen Frauen und Männern stand. Sie versuchte ihre Haare mit einem Haarband zu bändigen, als eine Frau etwas zu ihr sagte. Zoé lächelte und begann fröhlich ein Gespräch mit ihr. Die Ankunft in der Bretagne hatte ihr offenkundig Zuversicht und Fröhlichkeit zurückgegeben.
Parkers Gedanken schweiften ab. Er dachte an Maria und fragte sich , welche Verbindung zwischen Zoés Großmutter, Falkenhayn und den Killern bestand. War Maria am Raub des Bernsteinzimmers beteiligt gewesen?
Vieles sprach dafür, dass sie zumindest von der Verschwörung gewusst hatte, da Falkenhayn im Januar 1945 ihr Geliebter war. Erneut kam ihm das Gruppenbild der Soldaten in den Sinn, das über Falkenhayns Schreibtisch gehangen hatte. Wer waren die Offiziere? Und wer war vor allem der schmächtige Kommandeur der Einheit, der in der vordersten Reihe Platz genommen hatte?
Abermals überkam ihn das Gefühl, dass er den kleinen Offizier mit dem intelligenten Blick schon einmal gesehen hatte. Ein ganz leises Signal ertönte irgendwo im Inneren seines Kopfes. Er schloss die Augen und konzentrierte sich.
Schon bevor er in die Schule gekommen war, hatte er sein fotografisches Gedächtnis bemerkt – und später als Jurastudent
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