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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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den Schlüssel ein, jetzt durfte sie ihn bloß nicht beschädigen. Eigentlich hatte sie keine Lust, über Nacht in der Burg zu bleiben, denn nachts hatte sie auch Serpems zweites Gesicht kennengelernt. Aber die Rückreise würde anstrengend werden, und sie war hungrig und erschöpft von der
langen Arbeit. Und wohin sollten sie ohne Erlaubnis der Hexe auch gehen?
    Wieder traten sie in den Grünen Saal, der nun ausgeleuchtet war. Vela wäre fast zurückgewichen. Unzählige Menschen tummelten sich darin, die alle zwischen langen Tischen und Bänken umherliefen, um Platz zu finden. Cephei stieß einen kleinen Schrei aus, und Vela boxte ihn in die Seite.
    Die Menschen sahen ganz normal aus, ihre Kleidung war ein bisschen anders als in der Stadt, bunter, weiter geschnitten, und viele Stoffe glänzten, aber sie besaßen keine zweite Nase oder lange Zähne oder sonst irgendetwas, das sie wie Ungeheuer erscheinen ließ. Es herrschte großer Lärm, weil alle durcheinanderschwatzten, einige grölten, viele lachten. Die meisten Gesichter waren gewaschen, die Männer rasiert, und alle wirkten ausgelassen, keiner schien unter einem Bann zu stehen.
    Aniba führte sie zum Ende einer großen Tafel und wies ihnen zwei Plätze neben sich zu.
    »Sie kann mit Menschen wohl mehr anfangen als Serpem«, flüsterte Cephei ihr ins Ohr und langte dann nach dem Teller vor sich, um sich den Zierrand anzusehen, der aus wimmelnden Rittern bestand, die gegen allerlei Ungeheuer fochten.
    Hinter ihnen standen plötzlich Mägde, die Essen auf ihre Teller löffelten und gefüllte Becher danebenstellten. Aniba winkte kurz, und alle begannen mit dem Essen. Auch Cephei fiel darüber her, und nur Vela wartete noch einen Augenblick, bis sie zaghaft nach einem Löffel griff. Es schmeckte köstlich, sie war hungrig, und auch hier fiel niemand um, nur weil er das Essen einer Hexe aß.
    »Wo kommen denn eigentlich all diese Leute her?«, fragte sie und wandte sich an Aniba.

    »Aber sie waren doch die ganze Zeit hier.«
    Es klang, als wären sie selbst schuld gewesen, dass sie die Leute nicht gesehen hätten, fand Vela. Von einer Hexe konnte man einfach keine vernünftige Antwort erwarten.
    Vela blickte sich um. Wie viele der Anwesenden mochten wohl ein Hexenmal tragen wie sie? Oder arbeiteten sie einfach für Aniba, ohne einen Handel mit ihr eingegangen zu sein?
    »Neu hier?«, fragte sie ein junger Mann mit dünnem braunem Haar und großer Nase. Er saß rechts von ihr und lächelte breit.
    »Ähm, nein, nur... zu Besuch.«
    »Ah! Ich bin Hargk.« Er deutete eine Verbeugung an, die nicht so galant gelang wie wohl gewünscht. Mit dem Ellbogen stieß er seinen Weinkrug um, der zum Glück bereits geleert war. Seinen langsamen Bewegungen nach nicht zum ersten Mal.
    »Hoppla«, sagte er, stellte den Krug mit aller Bedachtsamkeit wieder aufrecht und schenkte sich nach. »Du auch?«
    »Danke, ich bleibe bei Wasser.«
    »Auch gut, ja, sehr lecker, so ein Wasser. Guter Jahrgang.« Er lachte lauthals, und Vela ließ sich anstecken.
    »Und was machst du hier, Hargk?«, fragte sie.
    »Ich bin der Geierer der Burg«, erwiderte er stolz, »kümmere mich um die Klippengeier. Eigentlich können sie das ja selbst, aber ich sammle die Nachtfedern, die sie verlieren, für Aniba, du weißt schon.«
    Nein, sie wusste nicht, doch es hatte wohl mit Hexerei zu tun, was sonst? Hargk zwinkerte ihr verschwörerisch zu, sogar mehrmals. Dann nahm er noch einen großen Schluck Wein.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte Vela, dass Aniba in ein Gespräch mit Cephei vertieft war, und senkte die Stimme. »Ist es
dir eigentlich egal, dass du einer Hexe dienst? Wo doch Hexerei unter Strafe steht.«
    Hargk sah sie irritiert an und kratzte sich am Kopf. »Echt? Aniba hat Hexerei unter Strafe gestellt? Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Nicht Aniba! Der König.«
    »Der König? Ach, der.« Hargk winkte ab und hätte beinahe wieder den Krug umgestoßen. »Nein, nein, hier hat Aniba das Sagen. Sie schickt seinen Steuereintreibern jährlich eine Handvoll Münzen und einen Strauß Blumen. Jeder bleibt auf seiner Seite des Schrottflusses und fertig. Wir hier und drüben der König und seine ganze Mechanik, du weißt schon …« Wieder zwinkerte er, und wieder wusste sie nicht warum. Aber wusste der König wirklich von der Hexe? Nahm er ihre mageren Steuern und ließ sie ansonsten in Ruhe?
    »Außerdem bin ich Geierer«, fuhr Hargk fort. »Geierer mit Leib und Seele. Ich habe nicht gehört, dass der König

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