Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
Vom Netzwerk:
beschützen.«
    Vela schüttelte den Kopf. »Aber er ist doch kein Kämpfer. Er ist Mechaniker!«
    Der Kanzler hob die Hand. »Falsch, mein Kind, er ist der Königsmechaniker. Und als solcher hat er besondere Aufgaben. Er verwahrt den Schlüssel und führt die Zeremonie durch. Einmal im Jahr, das ist nicht allzu oft, oder? Da muss er aufpassen und darf sich den Schlüssel nicht von einem Vogel abnehmen lassen. Immerhin wird er für diese Aufgabe reich entlohnt.«
    Vela verstand das alles nicht. Sie wollte nicht einsehen, dass man ihren Vater dafür verantwortlich machte, obwohl jeder gesehen hatte, dass es ein Unglück gewesen war. Schwächer als ein solches Monster zu sein, war doch kein Verbrechen! Aber sie konnte schlecht den Kanzler anschreien, also fragte sie mit zitternder Stimme: »Was wird jetzt passieren?«
    »Mach dir keine Sorgen.« Er nickte ihr und seltsamerweise auch den anderen aufmunternd zu. »Wir werden das große Turnier abhalten, wie jedes Jahr nach der Zeremonie, und dabei die vier besten Ritter unseres Landes bestimmen. Diese werden dann nicht nur geehrt, sondern mit der Aufgabe betraut, den Schlüssel zurückzubringen. Wenn ihnen das innerhalb eines Jahres gelingt, dann gibt es auch für deinen Vater Hoffnung. Wird der König rechtzeitig aufgezogen, kann er deinen Vater begnadigen. Und die auserwählten Ritter werden alles daransetzen, den Schlüssel zu finden. So viel kann ich dir versprechen.«
    Die Leute gaben zustimmendes Gemurmel von sich, denn die Ritter waren sehr beliebt. »Ja, das Turnier, denkt an das Turnier«, tuschelten viele aufgeregt. »Dort werden Helden geboren.«
    »Und wenn sie nicht rechtzeitig wieder hier sind?«

    »Nun, dann …« Der Kanzler sprach nicht aus, was dann geschehen würde, aber Vela ahnte es, und ihr wurde wieder schlecht. »Aber denk nicht daran, sie werden rechtzeitig zurückkehren. Es sind die Besten des Landes.«
    Ja, die Ritter mussten es einfach schaffen! Vela atmete tief durch und fragte: »Kann ich ihn sehen?«
    »Ich fürchte, das geht nicht«, antwortete der Kanzler und sah ungeduldig über die Schulter.
    »Aber ich muss ihn sehen! Er muss doch wissen, dass es mir gut geht. Er wird sich Sorgen machen. Sie dürfen mir das nicht verbieten, ich muss unbedingt zu ihm. Bitte!« Ihre Stimme überschlug sich, und sie fasste seinen Arm.
    Er sah auf sie herab und kniff die Augen ein wenig zusammen, da ließ sie ihn wieder los.
    »Na schön, du kannst zu ihm«, sagte er mit etwas weicherer Stimme. »Man soll mir nicht vorwerfen, ich wäre hartherzig und würde mich nicht um die Kinder der Angestellten sorgen. Eine Wache wird dich begleiten. Aber denk daran, es ist nicht erlaubt, etwas mit in den Kerker zu nehmen.«
    Erleichtert nickte Vela. Sie würde mit ihrem Vater reden. Er wusste bestimmt Rat. Der Kanzler verschwand wieder in der Kutsche, und Vela wartete geduldig, bis sein Kopf erneut im Fenster erschien. Er reichte ihr einen Bogen Pergament, auf das sein Schreiber schnell eine Genehmigung gekritzelt hatte. Das rote Wachs des Siegels war noch warm.
    »Das sollte genügen. Melde dich bei der Palastwache, die bringen dich zu deinem Vater.«
    Und schon setzte sich die Kutsche in Bewegung. Sie verschwand hinter der nächsten Biegung, während Vela noch immer dastand und versuchte, zu Atem zu kommen. Erst jetzt bemerkte
sie, dass ihre Beine zitterten, und sie spürte wieder die Schrammen auf den Händen brennen. Auch ihr Kinn zitterte, doch sie weinte nicht.
    Auf dem Rückweg musste sie mehrmals Menschen aus dem Weg springen, die durch die Straßen rannten, um die neuesten Berichte aus dem Schloss und vom König unter die Massen zu bringen. Über ihren Vater hörte sie dabei nichts. Ungeduldig eilte sie weiter.

    Im Schloss meldete sie sich sofort bei der Palastwache. Ein missmutiger Mann musterte sie abschätzig, dann beschied er ihr, ihm zu folgen und stapfte in die Schlossgärten, in denen nur wenige Höflinge zwischen den bunten Blumenmosaiken und gestutzten Büschen flanierten, als wäre nie etwas geschehen.
    Er führte sie über leuchtend weiß gekieste Wege, vorbei an den Springbrunnen und zwei mechanischen Ritterfiguren, die einen Zweikampf aufführten, wenn man sie aufzog, ohne jemals einen Sieger hervorzubringen.
    Weiter hinten wurden die Büsche und Hecken höher und die Blumen seltener. Mit großen Schritten lief die Palastwache durch das schwer beschlagene Tor in der mächtigen roten Mauer, hin zu einem runden gedrungenen Kerkerturm, der

Weitere Kostenlose Bücher