Der Königsschlüssel - Roman
trat Vela von einem Fuß auf den anderen und biss sich auf die Lippe. »Was sollen wir denn jetzt machen?«
»Gar nichts, fürchte ich.« Seine Stimme war wieder leise und brüchig geworden. »Ich werde wohl das Jahr hier absitzen müssen und darauf hoffen, dass ein Wunder geschieht und der Schlüssel wieder auftaucht. Sonst sieht’s übel aus.«
»Die Ritter werden es schon schaffen«, versuchte sie ihm Hoffnung zu machen und streichelte über seine großen Hände.
»Welche Ritter?« Verwirrt blickte er sie an.
»Nun, die besten vier Ritter des diesjährigen Turniers. Sie werden ausgeschickt, um den Vogel zu finden. Hat dir das niemand gesagt?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, mir hat man nur gesagt, dass ich einen Lehrling einarbeiten muss, für den Fall der Fälle. Vielleicht kriegst du ja jetzt, was du willst.« Ihr Vater lächelte sie schief an. »Du kannst dich ja um den Posten bewerben.«
Vela glaubte einen Augenblick, ihr Herz würde stehen bleiben. Natürlich war die Lehre als Königsmechanikerin ihr größter Wunsch, aber dass er auf diese Weise wahr werden sollte, das wollte sie nicht. Und woher wusste er überhaupt davon? Sie hatte doch nie gewagt, es auszusprechen.
Heftig schüttelte sie den Kopf. »Ich will nur, dass du wieder hier rauskannst.«
Die großen, schwieligen Hände drückten ihre, bis es schmerzte. Er konnte seine Kraft nie richtig einschätzen, aber sie beschwerte sich nicht. Es tat gut, die Wärme seiner Hände zu spüren, und auch ihre Kraft. Das war viel besser, als wenn sie saftlos und grau auf den Gittern lagen.
»Du musst nach Hause fahren, Vela. Du kannst nicht in der Stadt bleiben. Ich kann mich jetzt nicht um dich kümmern, und
du kannst hier nicht alleine leben.« Er sah kurz zu den Wachen hinüber und flüsterte dann: »Am besten gehst du in die Werkstatt, in meinem Werkzeugschrank ist im Boden ein kleines Geheimfach. Dort findest du genug Münzen für die Heimreise.«
»Nein, ich kann dich doch jetzt nicht allein lassen - das geht nicht!«
»Keine Widerrede, Kind. Für ein Mädchen ist es allein zu gefährlich in der Stadt. Außerdem würde deine Mutter nie wieder ein Wort mit mir sprechen, wenn ich dich jetzt nicht nach Hause schicke.«
Vela wollte sagen, dass sie sowieso kein Wort mehr miteinander sprachen, aber sie tat es nicht. Wahrscheinlich hätte er sie nur vorlaut genannt, und sie wollte sich jetzt nicht mit ihm streiten. Also sagte sie nur: »Na schön«, weil sie ohnehin wusste, dass er sie nicht kontrollieren konnte, solange er im Kerker saß. Dieses eine Mal konnte sie tun, was sie für richtig hielt, weil er sie nicht daran hindern konnte. Doch besser fühlte sie sich bei dieser Erkenntnis nicht. Eigentlich wollte sie ihn nicht belügen - aber die Stadt verlassen, und damit ihn, konnte sie ebenso wenig.
Als die Wache ungeduldig mit dem Speer auf den Boden klopfte, umarmten sie sich durch das Gitter. Vela weinte ihm aufs Hemd und versprach, ihm zu schreiben, wenn sie konnte. Am Ende des Gangs warf sie noch einmal einen Blick zurück, aber ihr Vater hatte sich schon wieder ins Dunkel zurückgezogen.
Es würde ihr gelingen, ihn zu befreien, das schwor sie sich. Was immer nötig war, würde sie dafür tun; sie würde den Rittern helfen, so gut es ging.
Am Ausgang gab ihr die Wache den Hammer wieder, und Vela steckte ihn zurück an den Gürtel.
Es würde schon gelingen. Die Geschichten, die ihr Großvater Rendo am Feuer erzählte, endeten doch auch immer gut. Sie musste nur daran glauben. In zwei Tagen würde das Turnier stattfinden, und sie würde sich die vier Ritter genau ansehen. Einem von ihnen musste es gelingen, den Schlüssel zu finden, immerhin waren sie Ritter. Und dazu die Besten des Landes.
URS
Am Tag des Turniers schlich sich Cephei wieder aus der Gaststube und rannte in die Stadt. Er folgte einem Ritter mit lilagrauem Umhang und goldenen Schuhen zum Turnierplatz. Dabei hielt er Abstand, um nicht aufzufallen. Zwei Schritt hinter dem Ritter japste sein schmächtiger Knappe unter dem Gewicht der Ersatzwaffen und ledernen Taschen, die er auf Rücken und Schultern trug.
Schnurstracks stakste der Ritter auf das hölzerne Anmeldehäuschen zu, das neben der Arena aus rotem Stein stand, und der japsende Knappe mühte sich verzweifelt, ihn zu überholen. Sein Rücken war mittlerweile so gebeugt, dass die lange Nase fast über den Boden schleifte und er mit den Knien an die Ohren stieß, und sein Gesicht war roter als die Wände der Arena, aber
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