Der Königsschlüssel - Roman
skeptisch und nicht so ausgelassen wie alle anderen. Langsam verließen die Leute die Arena und strömten auf den Markt oder in die städtischen Wirtshäuser, um sich die Bäuche vollzuschlagen. »Und? Magst du noch
einen richtig großen Braten mit gerösteten Torkwurzeln?«, fragte Urs.
»Ich mag Fingerfische, eine riesige Tüte Fingerfische.«
»Na, das ist aber nur eine kleine Vorspeise«, lachte Urs und deutete auf einen Stand am Wegrand. »Da holen wir uns eine Tüte, und dann wird noch richtig geschlemmt. Was meinst du? Ich muss meinen Beinahe-Knappen doch noch ordentlich einladen.«
Kurz überlegte Cephei, aber dann entschloss er sich, die Einladung anzunehmen, auch wenn er zu spät heimkäme und einen Haufen Ärger bekommen würde. Aber der Tag war zu schön, um ihn mit Arbeit und dem griesgrämigen Wirt zu beenden. »Dann muss ich aber deinen Lederbeutel tragen.«
»Gern.« Urs wuchtete ihm den Beutel auf die Schulter.
Cephei stöhnte auf und sackte zusammen, dann griff er fester zu und schritt tapfer voran. »Was hast du da drin? Steine?«
»Eisen, vor allem Eisen«, lachte Urs und dirigierte ihn auf den Stand zu, von dem es schon nach knusprigem Fisch und anderen Bratereien roch. »Ich habe einen Bärenhunger!«
Und als hätte er gehört, dass es etwas zu essen gab, kam auf einmal der Erdwühler von irgendwo her angeflogen und setzte sich auf Cepheis Schulter. »Muss das sein?«, fragte er, auch wenn er seinen Freund erfreut angrinste. »Meinst du nicht, ich trage im Moment schon genug?«
Der Vogel blieb mal wieder stumm, aber das machte Cephei nichts aus. Er hatte die Ritter gesehen, und für einen kurzen Moment war er so etwas wie ein Knappe.
DIE BESTEN DES LANDES
Sollte sie wirklich mit den Rittern sprechen, um ihnen die Dringlichkeit ihrer Aufgabe klarzumachen, und sich dabei als Tochter des Mannes erkennen zu geben, den das Gesetz für den Verlust des Schlüssels verantwortlich machte?
Über diesem Problem hatte Vela die ganze Nacht wach gelegen, so dass sie am Morgen dunkle Augenringe hatte und ihr der Kopf weh tat, denn gerade, als sie doch wegdämmerte, krähte schon der Hahn, und das Schloss erwachte zum Leben.
Kassia war bereits auf und wusch sich am Zuber. Weder der Schlüsselraub, noch das Turnier oder die frühe Stunde schienen ihr etwas anzuhaben, während Vela nur schwer aus dem Bett kam.
Als sie gähnte, lachte Kassia und rief: »Da kann man dir ja bis in den Bauch hinuntersehen.« Als sie sich die weiße Bluse zuknöpfte, fragte sie: »Fährst du jetzt eigentlich nach Hause?«
»Nein, ich werde wohl noch in der Stadt bleiben.«
»Willst du dann heute mit in die Kanzlei kommen? Du könntest dort sicher viel lernen.«
Vela stand der Sinn gar nicht nach lernen, wie kam Kassia auf so einen Gedanken? Sie wollte als Allererstes in die Werkstatt und das Geld holen, von dem ihr Vater gesprochen hatte.
»Mal sehen, vielleicht später.«
Enttäuscht verzog Kassia das Gesicht. Nachdem sie mit der Morgentoilette fertig war, verließ sie das Zimmer. Doch nicht ohne Vela das Versprechen abzuringen, sich die ganze Sache nicht so zu Herzen zu nehmen.
Vela wusste zwar nicht, wie sie das erfüllen sollte, versprach es aber dennoch. Was machte es schon - sie hatte bereits ihren Vater angelogen, dagegen schien diese Lüge kaum von Bedeutung.
Obwohl es noch früh am Morgen war, war im Schloss schon der Teufel los. In den Gängen huschten die Zimmermädchen und Mägde umher, um für die Hofgesellschaft das Frühstück vorzubereiten und die Kleider herauszulegen. Diener schleppten Eimer, randvoll gefüllt mit Wasser, über die Treppen, damit die Höflinge morgendliche Bäder nehmen konnten. Auf den ersten Blick wirkte alles wie immer, doch wenn man genau hinsah, merkte man, dass sich auch der dritte Morgen nach dem Unglück von denen vor dem Raub des Königsschlüssels unterschied.
Die Leute waren angespannt, und in der Küche, wo Vela immer ein reichliches Frühstück erhalten hatte, jagte man sie nun hinaus, weil man angeblich zu viel zu tun hatte. Doch sie hörte die Köchin zu einer Magd sagen: »So ein unverschämtes Ding, da kommt es auch noch hierher und will etwas zu essen haben! Wenn ich sie wäre, würde ich mich nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen, schließlich sitzt ihr Vater ja nicht umsonst im Turm. Also wirklich …«
Das war es also, was die Leute von ihr dachten. Sie war die Tochter des Königsmechanikers und damit ebenso in Ungnade gefallen wie er. Sie spürte nun
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